- Chantilly: Ein Schloss für die Ewigkeit
- Die Königin der Handschriften
- Ein Leben in Bildern
- Rätselhafte Reise durch Europa
- Ein Schatz wird neu geboren
- Warum die Ausstellung sehenswert ist
- Chantilly Castle shows medieval masterpieces
Mit dem meisterhaften Stundenbuch „Très Riches Heures du Duc de Berry“ erscheint die neu restaurierte Königin der Handschriften als Faksimile. Unsere Autorin Birgit Koß war bei der feierlichen Präsentation in Chantilly dabei.
Chantilly: Ein Schloss für die Ewigkeit
Ca. 50 Kilometer nordöstlich von Paris befindet sich das zauberhafte Schloss Chantilly, das jährlich von einer halben Million Besuchern besichtigt wird. Es wurde um 1560 erbaut und während der Revolutionszeit weitgehend zerstört. Der Herzog von Aumale, ein Sohn des Bürgerkönigs Louis-Philippe, ließ es 1876-82 wiederaufbauen – als Museum für seine immense Sammlung an seltenen Büchern und Gemälden. Er verfügte, dass nichts aus diesem Museum entfernt werden dürfe und hinterließ es schließlich dem Institut de France. Mit dem Musée Condé beherbergt es eine der größten privaten Kunstsammlungen der Welt sowie eine historische Bibliothek im „Kleinen Schloss“ mit 700 Handschriften und 12.000 wertvollen Büchern, darunter die „Très Riches Heures du Duc de Berry“. Diese Bibliothek hat die zweitgrößte Buchsammlung Frankreichs nach der Bibliothèque Nationale de Paris. Alle vier Monate gibt es eine Sonderausstellung.
Die Königin der Handschriften
Die „Très Riches Heures du Duc de Berry“ zählt zu den berühmtesten und kostbarsten Handschriften des Mittelalters und wird auch die „Mona Lisa“ oder die „Königin“ der Handschriften genannt. Ganzseitige Miniaturen, die an Tafelbilder erinnern, beeindrucken durch ihre vollendete Perspektive, stimmungsvolle Landschaften und die eleganten Bewegungen der Figuren. Die 121 Miniaturen geben einen detailreichen Eindruck in das mittelalterliche Leben durch Alltagsszenen, die zeittypische Kleidung und zeitgenössische Architektur. So nutzte auch Umberto Eco – wie er sagte – diese Anblicke, um sich dem Mittelalter zu nähern. Der Aufbau folgt dem klassischen Stundenbuch mit einem reich bebilderten Kalender, marianischem Offizium, Passionszyklus, Psalmen und Heiligenbildern. In der Darstellung wechseln große ganzseitige Miniaturen und kleine Bildfelder, teilweise mit Textspalten kombiniert. Heute umfasst die Handschrift 208 Blätter.
Ein Leben in Bildern
Jean Herzog von Berry (1340 -1416), Bruder von Karl V. und Philipp dem Kühnen, gab das Werk um 1410 in Auftrag vor dem Hintergrund politischer und militärischer Umwälzungen. Sein Leben war geprägt vom Hundertjährigen Krieg (1337-1453), dem abendländischen Schisma und Machtkämpfen zwischen Orléans und Burgund. Der Graf de Berry war ein Förderer der Künste und Sammler. Er stattet seine zahlreichen Schlösser üppig aus und sammelte Juwelen, Textilien, Reliquien, aber vor allem Handschriften.
Mit den „Très riches Heures“ wollte er seinem Leben ein Denkmal setzen. So zeigen die Miniaturen die Besitztümer des Herzogs, Orte, die ihm lieb waren und Erinnerungen an Familienereignisse. Die Hauptkünstler der Handschrift waren die Brüder Limburg – Paul, Hermann und Jean aus dem Herzogtum Geldern. Ihr Stil zeichnete sich durch feine Detailbeobachtung und authentische Farbbestimmungen aus. Als der Herzog starb, war etwa die Hälfte des Werks fertig gestellt. Jahrzehnte später führte Jean Colombe die Arbeit weiter, farbkräftiger, detailreicher und mit intensivem Goldgebrauch. Kunsthistoriker vermuten, dass noch weitere Künstler an dem Stundenbuch beteiligt waren.


Rätselhafte Reise durch Europa
Die weitere Geschichte des wertvollen Stundenbuchs ist mysteriös. Es wanderte durch Europa, etwas 200 Jahre sind völlig ungeklärt. Erst im 18. Jahrhundert tauchte es im Besitz der vornehmen Familie Spinola in Genua wieder auf. Auch der burgunderrote Einband mit Goldprägung stammt aus dem 18.Jahrhundert.
1855 hörte Henri d’Orléans, Duc d’Aumale, einer der bedeutendsten Kunstsammler seiner Zeit, anlässlich eines Italien-Aufenthalts von einem zum Verkauf stehenden mittelalterlichen Stundenbuch. Am Porträt Jean de Berrys auf dem Januar-Blatt, den Bären und Schwänen, den Lilien konnte er sofort erkennen, für wen das Manuskript ursprünglich angefertigt worden war. Der Graf hielt das Werk unter Verschluss und zeigte es nur wenigen auserwählten Gästen. Er vermachte seine umfangreiche Kunstsammlung 1897 dem Institut de France unter der Auflage, dass sie geschlossen erhalten bleiben müsse.
Aufwendige Restaurierungsarbeiten des Stundenbuches in der letzten Zeit haben nun dazu geführt, dass berühmte Miniaturen des Kalenders – insgesamt 26 Seiten – einzeln ausgestellt werden können, nachdem sie aus dem Gesamtwerk gelöst werden mussten, bevor sie wieder in den Buchblock eingebunden wurden. Diese sind jetzt in der Sonderausstellung im Schloss Chantilly vom 7. Juni bis 5. Oktober zu bewundern. Einmalig an dieser Ausstellung ist auch, dass die insgesamt sechs Stundenbücher des Herzogs von Berry erstmals gemeinsam in einem Raum ausgestellt werden.

Ein Schatz wird neu geboren
Neben der Ausstellung führen die Restaurierung und Digitalisierung dieser einmaligen Handschrift auch zu einem neuen Faksimile, das mit einer auf 800 Exemplaren limitierte Auflage im Format 29 x 21 cm Ende des Jahres erscheinen wird. Mehrere Verlage aus Deutschland, Spaniern und Italien nutzen die modernsten Technologien, um es gemeinsam zu erschaffen. Dazu gehören maßgeblich die Verlegerinnen Charlotte Kramer von der Universal Art Group und dem Faksimile Verlag und Lucia Pannini der Gruppo Panini Cultural.
Die Verlegerin Charlotte Kramer erklärt, was sie an dieser Arbeit ganz besonders gereizt hat:
„Dadurch, dass mein Vater im Faksimile Verlag ganz lange gearbeitet hat und die Bibliothek des Duc de Berry sozusagen rauf und runter faksimiliert hat, schließt sich der Kreis, insbesondere auch in Zusammenhang mit der italienischen Gruppo Panini Cultura. Auch Lucias Vater hat schon mit meinem Vater zusammengearbeitet und wir beide haben nun auch eine neue Partnerschaft für Digitalisierung. So passt einfach alles unglaublich zusammen – auch der bibliophile Graf von Berry und meine Leidenschaft für Bücher. Mittlerweile sind 127 Handschriften, die in der Bibliothek des Grafen waren, identifiziert worden, es waren ursprünglich etwa 300 – das ist doch unglaublich. Und der Traum, die „Très Riches Heures“ machen zu dürfen ist ein Privileg.“
Aber neben der persönlichen Freude stellt sich natürlich die Frage, wie oft ein Faksimile eines Werkes herausgegeben werden soll oder kann. Es gibt bereits mehrere Faksimileausgaben dieses ganz besonderen Werks. Somit hat sich die Verlegerin Charlotte Kramer die Neuausgabe gut überlegt:
„Die erste Edition ist im Jahr 1984 erschienen. Seitdem sind natürlich Lichtjahre vergangen von den Aufnahmen, ich weiß nicht, ob das damals noch mit Ektachromen gemacht wurde, zu den heutigen Aufnahmen. Drucktechnisch haben wir jetzt ein völlig anderes „State oft the Art“ und auch das Papier ist ein anderes. Es ist eine schöne Ausgabe, aber natürlich ist heute eine ganz andere Umsetzung möglich. Die zweite Ausgabe war noch basierend auf den alten Aufnahmen und auch auf einem anderen Papier.“
Der technische Fortschritt ermöglicht also eine ganz neue Qualität des Faksimiles gegenüber seinen beiden Vorgängern. Charlotte Kramer erklärt:
„Es kommt noch dazu, dass die ganzen Gold- und Silbertechniken sich extrem verändert haben. Für diese Edition haben wir ein ganz anderes Papier, das mehr dem Pergament entspricht, die neuen Aufnahmen, die jetzt im Zuge der Restaurierung gemacht wurden, sind so viel besser und wir haben eine neue Drucktechnik, die die ganze Seite nochmal lackiert, um die Spiegelungen, die die anderen Papiere normalerweise hervorrufen, einfach rauszunehmen, das heißt man hat auf jeder Seite das komplette Bild, ohne dass es Reflexe gibt. Und dann drucken wir nochmal weiß nach dem Farbdruck, denn es gibt im Pergament diese speziellen Weißaufträge, die machen einen ganz anderen Eindruck, wenn man es nochmal aufträgt, so wie es im Mittelalter auch passiert ist. Somit ist der Eindruck bei dem neuen Faksimile ein ganz anderer. Außerdem war die zweite Ausgabe nur in Italien und Spaniern erhältlich, somit macht eine neue Edition für uns Sinn.“
Somit ist die „Mona Lisa“ der Stundenbücher gleich auf mehrfache Weise in diesem Jahr für die Öffentlichkeit zugänglich. Interessenten sollten die Ausstellung nicht versäumen. Ab Oktober schließt das Original wieder seine Seiten – wahrscheinlich für sehr lange Zeit.
Die Ausstellung „Les très riches heures du Duc de Berry“ ist bis zum 5. Oktober 2025 im Schloss Chantilly zu besichtigen.
Die neue Faksimile Ausgabe des „Meisterhaften Stundenbuchs des Duc du Berry“ erscheint Ende des Jahres in limitierter Auflage beim Faksimile Verlag in Simbach am Inn.
| Meisterhafte Stundenbuch des Duc du Berry (Très Riches Heures du Duc de Berry) | Faksimile Verlag in Simbach |
| Ausstellung bis zum 5. Oktober 2025 | Schloss Chantilly, Rue du Connétable, 60500 Chantilly, Frankreich |
Warum die Ausstellung sehenswert ist
- Faksimile der „Très Riches Heures“ in modernster Drucktechnik mit brillanter Detail- und Goldwiedergabe.
- Historische Miniaturen erstmals einzeln ausgestellt im Originalschauplatz Schloss Chantilly.
- Sechs Stundenbücher des Herzogs von Berry vereint in einer weltweit einmaligen Sonderausstellung.
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Chantilly Castle shows medieval masterpieces
Chantilly Castle near Paris houses the Musée Condé, one of the world’s largest private art collections. Its highlight: the medieval manuscript “Très Riches Heures du Duc de Berry,” often called the “Mona Lisa” of book art. The 121 miniatures depict 15th-century life with stunning detail and perspective.
Commissioned around 1410 by Jean de Berry, the work was begun by the Limburg brothers and later completed by Jean Colombe with rich colors and gold. The manuscript now contains 208 folios.
After a mysterious journey through Europe, it resurfaced in 18th-century Genoa. In 1855, Henri d’Orléans acquired it and donated it to the Institut de France.In 2024, Chantilly presents 26 miniatures in a special exhibition. For the first time, all six of Berry’s books are shown together. A new facsimile is also being produced using advanced printing techniques, enhanced paper, and authentic gold and silver finishes. The limited edition will be released later this year.




