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Jubiläumspremiere „Out of Chaos“ am CHAMÄLEON Theater: Ein Zauberreich der Poesie

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Rezension von Ingobert Waltenberger.

In den Hackeschen Höfen, der Eingang im Hof I liegt in der linken Ecke etwas versteckt, gibt es im ersten Stock in den ehemaligen Neumann’schen Jugendstil-Festsälen das Chamäleon Theater. Immer schon ein Ort der Gastronomie, 1992 zur Variété und Kleinkunstbühne mutiert, führten finanzielle Schwierigkeiten zu einem Betreiberwechsel 2004. Dabei verschob sich der Akzent und Schwerpunkt in Richtung eines genreübergreifenden „Cirque Nouveau.“

Der jugendliche 15. Geburtstag der Wiedereröffnungwird an diesem dem gehobenen Entertainment verschriebenen Haus standesgemäß mit dem Besten der Besten begangen, also einer Inszenierung des Performers und Regisseurs Darcy Grant. Die achtköpfige australische Artistentruppe Gravity and other Myths garantiert bei dem lustvoll federnd servierten, nichtsdestotrotz haarsträubend schwierigen akrobatischen Bewegungsballett höchste Professionalität und einen disziplingetränkten Teamgeist. Sechs Monate lang wird für dieses Stück an diesem famosen (für eine Legende reicht es an Jahren noch nicht) Privattheater der schwere rote Samtvorhang aufgehen. Am 16.2.2020 soll dann Schluss sein.

Fotonachweis: Andy Phillipson

Uraufgeführt im Februar dieses Jahres in Adelaide, entführt uns dieser wie improvisiert scheinende „Weg aus dem Chaos“ in ein Zauberreich der Poesie, der Imagination, der begnadeten Körper samt irisierenden elektronischen Klangräumen des Komponisten und Sängers Ekrem Eli Phoenix. Seine polyphonen Klanggeflechte, sphärisches Glockenbimmeln, seine charismatischen Vokalisen im Voice-over Verfahren und die mit vollem Herz und voller Kehle in deutscher, französischer und türkischer Sprache gesungenen Lieder – zwischendurch spielt er auch Xylophon – amalgamieren sich mit den virtuosen Acts der Akrobaten zu einem Fest des Miteinander, des Durch-Einander, des Ineinander.

Mit einer linearen Erzählweise will das Stück nicht aufwarten, wenngleich im Konzept von Geburt, Vergänglichkeit, Teilchenphysik und den Mysterien des Universums die Rede ist. Das Chaos, nach Hesiod ein dunkler, wild zusammengewürfelter Urzustand, macht sich anfangs durch ein dämmriges Licht (nur Taschenlampe und einige Spots) und den gleichzeitig von den acht Performern gesprochenen Eigenpräsentationen bemerkbar. Ein wuselndes Wespennest brummt sich hier in Fahrt.

Runde rohe Holztischplatten stecken den Spielraum ab, überflüssige Requisiten gibt es keine. Die Lichtregie haben die Akteure selbst übernommen. Ein so spannendes, wie seltenes Experiment, das hier allerdings gut aufgeht.

Fotonachweis: Andy Phillipson

Nun aber vor den Vorhang, verehrte Geister der Lüfte, Überwinder der Schwerkraft und Hula Hoop Reifenschwinger! Martin Schreiber, Simon McCluire, Lewie West, Lewis Rankin, Mieke Lizotte, Lisa Goldsworthy, Dylan Phillips und Amanda Lee sind die glorreichen acht, allesamt Charaktere mit Kontur, die Menschentürme, so schnell sie gebaut sind, wieder jäh in sich zusammensacken lassen. Sie heben und stemmen, drehen und schlängeln, stürzen und schleudern, sichern und vertrauen einander. Hand in Hand; Hand auf Fuß, Fuß auf Fuß.

Sie wissen um das richtige Timing, modellieren ihre Rubati, inszenieren Beschleunigung, und sind glücklich wie Kinder, wenn alles gut läuft. Ihre Freude und ihr Lachen teilen sie mit dem Publikum, das apostrophiert und einbezogen wird. Durch Dunkel ins Licht lässt dieser verspielte Abend wohl keinen unberührt. Manchmal denkt man sich, die proben da gerade etwas, so aus dem Augenblick heraus wird das Hier und Jetzt zelebriert

Für den gesamtheitlichen Genuss sorgen gute Küchengeister, die den genius loci ja schon seit einem Jahrhundert prägen. Es gibt sogar österreichischen Grünen Veltliner und die dicht gestellten Bistrotischchen fördern die Kommunikation.

Chamäleontheater „OUT OF CHAOS“
Alle Termine

CHAMÄLEON Theater
in den Hackeschen Höfen
Rosenthaler Straße 40/41
10178 Berlin-Mitte

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