Es ist das erste Mal, dass sie reisen, und dann geht es auch noch gleich außer Landes: Die Māori, die Gottfried Lindauer ab 1874 portraitierte. In diesem Jahr kam Lindauer mit 35 Jahren in Wellington an und ließ sich in Auckland nieder. Geboren in Pilsen und ausgebildet an der Wiener Kunstakademie, war die Auftragslage durch die aufkommende Fotografie in der Heimat schlecht geworden und außerdem drohte die Einberufung in den ungarisch-österreichischen Krieg. Lindauer wanderte aus, starb 1926 mit 87 Jahren in Woodville und hinterließ der Nachwelt seine beeindruckenden Portraits der Māori. Allein 60 dieser Bilder gehen auf Aufträge von Lindauers Förderer Henry Partridge zurück, der schon damals erkannte, dass die Māori-Kultur zu bewahren sei.
Bis heute haben die Gemälde Neuseeland nie verlassen, da die Nachfahren der Abgebildeten die Verbindung ihrer Vorfahren zu Heimat, Abstammung und Geschichte erhalten wollten. Gemeinsam mit maorischen Wissenschaftlern und Künstlern, die als Berater der Auckland Art Gallery Toi o Tāmaki tätig sind, durften die Bilder nun erstmals die lange Reise antreten. Zuvor bedurfte es jedoch langer Gespräche mit den Nachfahren der Portraitierten, um die Erlaubnis dafür einzuholen.
Bevor die Ausstellung für die Öffentlichkeit freigegeben wurde, segneten die Nachfahren nach traditioneller Zeremonie bei Sonnenaufgang die Gemälde und übergaben damit die Schau, die als gleichwertig in die Bestände der Alten Nationalgalerie integriert ist, den Besuchern.
rbb online lobt. „Zusammen entsteht so ein eindrucksvolles Kaleidoskop von Maori-Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts. Dabei verhindert Lindauers achtungsvoller und sorgfältiger Pinselstrich einen exotisierenden Blick. Stattdessen spricht aus jedem Bild der Respekt vor dem Fremden.“
Tagesspiegel online hält fest: „Ein spektakulärer, ein bewegender Auftakt zu einer Ausstellung, die Konventionen sprengt. Porträts von Maori-Repräsentanten in vollem Habit, mit Jadeschmuck behängt und dekorativen Waffen ausgestattet, das Antlitz von bläulich-schwarzen Lineaturen bei einigen komplett überdeckt – das war bisher eher etwas für Ethnologen. Mit der fulminanten Gottfried-Lindauer-Schau zieht diese eigene Gattung in einen Tempel der europäischen Hochkunst ein […]“
Die Frankfurter Rundschau fasst zusammen: „Er malte die Ur-Ur-Ur-Ahnen jener Frauen und Männer, die den Bildern gestern ihren fröhlichen Segen erteilten, respektvoll und als individuelle Persönlichkeiten, voller Würde. Lindauers kunstvolle Lichtregie macht die Maori nicht zu Statisten, sondern zu Akteuren einer globalen Geschichte, die eben nicht bloß von Europäern geschrieben wurde.“
Gottfried Lindauer. Die Māori Portraits
Ausstellung bis zum 12. April 2015
Alte Nationalgalerie
Bodestraße 1-3
10178 Berlin
Öffnungszeiten:
Dienstag und Mittwoch: 10-18 Uhr
Donnerstag:10-20 Uhr
Freitag-Sonntag: 10-18 Uhr
montags geschlossen
12 Euro/6 Euro
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