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Franui: Ständchen der Dinge –„ Geht es immer so weiter?“

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Jubiläumsalbum zum 25. Geburtstag der genialisch österreichischen Musicbanda. Von Ingobert Waltenberger.

„Wenn du einen Trauermarsch viermal so schnell spielst, ist er eine Polka“ Christian Seiler

Fette Wiener Cremetorte und Tiroler Speckknödel, Zentralfriedhof und Landkirtag, Anverwandlungen von Liedern der Romantik mit Franz Schubert als Muserich, Gestampftes, Geblasenes, Gestrichenes, Gezupftes, Gepfiffenes, Gesungenes und Gesprochenes, all das melangiert das nach einer Osttiroler Almwiesen benannte Ensemble ,Franui‘ auf unnachahmliche, zum Weinen schöne Art und Weise. Harfe, Hackbrett, Blech schräg abgefahren wie in Bergs Wozzeck, Weltschmerz und Lebensfreude, Wien und der ewige Berg, blasser Kaffeehausgeher und stramm behaartes Männerwadl – ja ,Franui‘ ist eine kuhfladengesprenkelte Almwiesen mit Pfiff. Unter diesem Namen firmieren bisweilen nebstbei aber auch bis zu zehn Musiker, die sich mit Klarinette, Tuba, Saxophon, Kontrabass, Akkordeon, Zither, Trompete, Trombone und Stimme(n) am musikalischen Erbe der liedreichen Früh- bis Spätromantik in bester Dorfmanier zu schaffen machen.

Auf der vorliegenden CD werden nach alter Geburtstagstradition zu den sich aus Trauermärschen entwickelnden Tanzrhythmen, zu Mahlerschen Klangvisionen, zu Wirtshausmusik und „seraphinischem Schweben, zu Wohlklang aus feinstem, transparentem Stoff“ Gäste geladen und neue Weggefährten erprobt. Neue Stücke kommen auf die Platte, aber auch einiges vom Besten der langen Reise seit 1993 ist zu hören.

Am Gescheitesten, der Zuhörer genießt die prächtig abendgoldene Melancholie, das Weinselige und Poetische, das Lyrisch-Polternde und Stumm-Gehauchte dieser Sehnsuchts-Musik bei deftiger Hausmannskost mit viel Veltliner. Aber auch Jazzig-Poppiges haben die Glorreichen Zehn (Johannes Eder, Andreas Fuetsch, Romed Hopfgartner, Markus Kraler, Angelika Rainer, Bettina Rainer, Markus Rainer, Andreas Schett, Martin Senfter und Nikolai Tunkowitsch) drauf – „When I consider“.

 

© Col Legno

 

Keiner kennte das auf 1402 über dem Meeresspiegel gelegene Dorf Innervillgraten, wenn sich nicht diese großteils dort aufgewachsenen Tiroler Urgewächse und Urgewächsinnen zu dieser originären und märchenhaften Band zusammengeschlossen hätten. Sie verkörpern, singen und improvisieren all das, stimmen also genau den Geist derjenigen Musik an, der einem Auslandsösterreicher wie mir im nordischen Berlin so schmerzlich abgeht.

Ich darf zum Geburtstag nicht nur alles kulinarisch Gute und eine neongrelle Zukunft wünschen, sondern werde gerne eine Berliner Fettcremetorte (ursprünglich wahrscheinlich aus einer süßen Industrie in Polen oder der Ukraine kommend) nach Österreich schicken, falls ich Ihre geschätzte Adresse bekomme, liebe Franuisten. Bis dahin lausche ich euren ,Creampies from Vienna‘, dem ,Ständchen‘ und ,Wanderer an den Mond‘, dem ,Husch Pfusch Tusch‘, dem ,Leiermann‘, und ,Wunderhorntanz‘, den ,Beugungen‘, Adam & Eva‘ , bis zu diesem  lichtvollen Abschied „In die Dunkelheit“. Anstatt einer sowieso klaren Empfehlung gibt es einen Handkuss, für so viel Fantasie und klangreiche Eloquenz einen G‘schmansten Diener. An den Gästen von Florian Boesch bis Dörte Lyssewski, Cornelia Rainer bis Peter Simonischek gibt es ausnahmsweise nichts zu meckern.

Fazit: Die beste CD seit Lichtjahren!

Franui
Ständchen der Dinge – „Geht es immer so weiter?“
Col Legno, 2018
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