Von Stefan Pieper.
Man sollte tief durchatmen und alle Poren für wahre Empfindung öffnen. Paolo Fresus neues CD-Album „Carpe Diem“ wirkt wie ein musikalischer Appell, um mitzugehen auf ein Hochplateau der musikalischen Vollkommenheit. Aber die Luft wird hier oben nicht dünn, stattdessen ist alles sonnendurchflutet. Denn es breitet sich wohlige Wärme aus, wenn hier vier gestandene, gereifte Musiker nichts und niemandem mehr etwas beweisen müssen.
Der Trompeter Paolo Fresu, der von Enrico Rava lernte und der das Erbe der großen Stimmen im europäischen Jazz würdig weiterträgt, erhebt seine Stimme auf dem Horn in großen, weit tragenden Melodienbögen. Wie der gebürtige Sarde sein Horn spielt, ist für sich genommen großes Hörkino – und dieser mal weiche und samtige, zuweilen impulsiv aufbegehrende, abwechselnd melancholisch dunkles Timbre, dann wieder himmelhohe Jauchzer freisetzende Ton wirkt dabei völlig unangestrengt.
Was immer Fresu für improvisierende Geschichten erzählt und egal,ob er offen spielt oder mit Dämpfer einen seidig schimmernden Sound freisetzt, er kann gar nicht anders, als tief in sich zu ruhen dabei. Diese Aura bleibt auch bestehen, sobald Fresu mittels mehrerer Overdub-Spuren mit sich selber dialogisiert und sich Trompete und Flügelhorn miteinander verschränken. Allein dies weist diesen Tonträger nicht als Momentaufnahme des Spontanen, sondern als liebevoll konzipiertes Gesamtkunstwerk aus.
Man braucht kaum zu erwähnen, dass auch das Zusammenspiel mit den Mitstreitern besticht, sind doch 15 Jahre bestens gereifte Band-Chemie im „Devil Quartet“ ein gutes Kapital: Fresus Linien werden unterfüttert und beantwortet durch vital pulsierende Gitarrenlicks von Bebo Ferra. Paolo Dalla Porta weist mit einem warm aufblühenden Basston immer wieder aufs Neue eine gute Richtung. Schlagzeuger Stefan Bagnoli macht in jedem Moment das, was hier am meisten zählt: Einfach da sein. Mal träumen die Stücke balladesk vor sich hin – dann wieder geht es in verspielter, trickreicher Verzahnung der Harmonien, Klänge und Rhythmen vorwärts. Hier lebt die Magie des Unspektakulären.
Paolo Fresu Devil Quartett
Carpe Diem
Tuk Music 2017
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