Eine Rezension von Kirsten Niemann
Rimini war der Sehnsuchtsort im Wirtschaftswunderdeutschland. Wer auf sich hielt, der machte dort Urlaub. Barbara und Alexander Armin verbrachten dort, in den 60er-Jahren, ihre Flitterwochen. Dort, im Hotel Cieloemare, wurde Sohn Hans gezeugt. Dort nahm also, wenn man so will, die Familie Armin ihren Anfang. Wer vermutet, dass es sich bei Sonja Heiss’ Roman „Rimini“ um eine seichte Ferienlektüre handelt, der irrt sich. Rimini ist ein bittersüßer Familienroman mit Sinn für das Tragische im Leben, dem aber immer auch etwas Komisches innewohnt. Die Autorin, die bereits als Filmregisseurin („Hedi Schneider steckt fest“) einen Erfolg verbuchen konnte, hat hier übrigens ihren ersten Roman vorgelegt.
Wie bei vielen Familien, liegt bei den Armins so Einiges im Argen: Sohn Hans, inzwischen umsatzschwächster Partner einer Anwaltskanzlei, machen immer wieder sinnlose Wutanfälle zu schaffen. In seiner Ehe mit der schicken Wirtschaftsjournalistin Ellen kriselt es, weshalb ihn seine Frau in Therapie schickt. Als Hans sich (erfolglos) in seine Therapeutin verliebt, geht die Ehe endgültig den Bach runter. Deren verwöhnte Kinder Louisa und Leo – sieben und fünf Jahre alt – können es schlicht nicht fassen: Ihre Sommerferien verbringen sie nicht wie sonst in einem Luxushotel, sondern auf einem gottverlassenen Bauernhof in den Abruzzen. Ohne Pool – und das Meer ewig weit weg.
Masha Armin, Hans’ jüngere Schwester, erfolglose Schauspielerin und notorisch pleite, möchte unbedingt ein Kind, bevor die biologische Uhr abläuft. Aber sie ist bereits 39 Jahre, drei Monate und 16 Tage alt – es wird also eng. Den Eltern Barbara und Alexander Armin geht es nicht besser als ihren Kindern. Auch sie hadern mit ihrem Leben: Sie wird depressiv, schließt sich ein, schläft tagelang. Er klammert, fühlt sich schon von ihr verlassen, wenn sie in den Keller geht, um Putzmittel zu holen.
Wirklich sympathisch ist keiner der Protagonisten. Und gut, dass man selbst solche Probleme nicht hat. Dennoch macht das Buch Spaß: Selten wurde mittelschlechter Sex lustiger beschrieben. Und selten ist das Nervige am alltäglichen Miteinander so vergnüglich zu lesen. Das liegt nicht zuletzt an den herausragenden Dialogen, von denen das Buch sehr viele hat. Hier merkt man, dass die Autorin Drehbuch- und Filmerfahrung hat.
Sonja Heiss
Rimini
Kiepenheuer & Witsch, Köln
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Coverabbildung © Kiepenheuer & Witsch
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