Kolumne von Susanne Falk.
Sie wird mindestens ebenso oft besungen wie die Liebe. Sie ist essenzieller Bestandteil eines jeden Verständnisses von Demokratie. Kein Land der Welt schreibt sie sich so sehr auf die Fahnen wie die USA. Texas allerdings scheint kein „land of the free“ mehr zu sein.
Kommen Sie einem texanischen Konservativen dieser Tage mal mit dem berühmten Zitat Rosa Luxemburgs „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“. Da werden Sie vermutlich im besten Fall nur Spott und Hohn ernten und einen Hinweis auf Ihre „kommunistische“ Gesinnung, im schlechteren Fall wird die Auseinandersetzung eskalieren. Das neue texanische Abtreibungsgesetz spaltet die amerikanische Gesellschaft und nicht nur die. Als Frau steht man da und denkt sich: Waren wir da nicht schon in den 1970er Jahren mal weiter? Welchem kruden Freiheitsbegriff hängen die Entscheidungsträger denn an, dass sie ein derart restriktives Gesetz auf den Weg bringen, das sämtliche Errungenschaften der Frauenbewegung aus mehr als fünf Jahrzehnten einfach mal eben in die Tonne tritt und darüber hinaus im Widerspruch zur Verfassung steht?
Freiheit ist ein Gut, dass es zu schützen gilt. Und offensichtlich auch zu besingen: George Michael tat es, Pharrell Williams auch und die Band Queen will gleich mal aus allem ausbrechen („I Want to Break Free“). Ich will auch ausbrechen. Mir wird nämlich auch grad alles zuviel: Pandemie, Schulstress, Arbeit, Schreiben, neues Büro einrichten, der ganze Wahnsinn dieser Welt – man schultert ja nicht wenig dieser Tage. Und trotzdem habe ich die Freiheit zu sagen: heute nicht. Ich kann mich dem Irrsinn auch einmal für ein paar Stunden entziehen, den Kopf auf Durchzug schalten. Versuchen Sie das mal, wenn Sie in einer Notlage sind. Diese inneren (oder äußeren) Gefängnismauern überwinden Sie niemals allein. Da reicht ein Haufen erzkonservativer rechter Männer und eine ganze Generation von Frauen sitzt in der Falle. Freiheit ist immer das, was die jeweils Regierenden zulassen. Bei uns ändert sich das zum Glück hin und wieder, weil sich die Regierungen ändern. Diese Freiheit haben Menschen bei weitem nicht überall auf der Welt.
In Texas allerdings schon, theoretisch zumindest. Die nächsten Wahlen finden 2022 statt. Dann steht es dem derzeitigen Gouverneur Greg Abbott frei abzudanken. Am besten sucht sich Abbott nach den Wahlen freiwillig ein tiefes, tiefes Loch, in dem genügend Platz für ihn und sein vorgestriges Weltbild ist. Ich helfe gerne beim Graben.
Wie sang George Michael doch so schön: “(My) Freedom. You’ve gotta give for what you take.” Freiheit ist ein Geben und Nehmen. Das ist Demokratie auch. Man muss nur darauf achten, dass die Mehrheit in ihrer Freiheit nicht von einer unbelehrbaren Minderheit eingeschränkt wird, nur weil diese Minderheit im seriösen Anzug daherkommt und gerne so tut, als predige sie von gegenseitiger Liebe und Verständnis, ohne auch nur den Hauch einer Ahnung davon zu haben, was diese Worte wirklich bedeuten. Sometimes the clothes do not make the man. Hier und in Texas.
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