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Meine Bücher! „Ach, wie gut…“

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Kolumne von Susanne Falk.

Seit Generationen wird diese arme Kreatur missverstanden. Von wegen klein, böse und potenzieller Kinderräuber – mitnichten! Deshalb möchte ich heute eine Lanze brechen für das verkannteste Wesen im Märchenwald: Rumpelstilzchen.

Natürlich kann man Grimms Märchen auf vielfältige Art und Weise interpretieren, keine Frage. Historisch, feministisch, psychologisch, textimmanent – die Liste der Möglichkeiten ist schier endlos. Doch bei jeder Interpretation läuft es letztlich darauf hinaus, dass das kleine Männchen, das im Wald lebt und so gerne rituelle Feuertänze aufführt, wenn es nicht gerade schönen Müllerstöchtern den Arsch rettet, verkannt wird. Denn der eigentlich Böse ist hier gar nicht die Titelfigur sondern ein anderer.

„Es war einmal ein Müller, der war arm, aber er hatte eine schöne Tochter.“ Entlarvt, gleich im ersten Satz! Der Mann hatte kein Geld (dabei hatten Müller eigentlich ein gutes Auskommen), aber eine schöne Tochter, was bedeutet: Sie war das Einzige, was er zu Geld machen konnte. Und das tat er dann auch. Das nennt man, um es klar zu sagen, Prostitution. Der Vater ist also der Zuhälter der Tochter. Und der König? Geht bereitwillig auf einen Handel ein. Statt an ihrer Schönheit ist er allerdings mehr an Sklavendiensten und späterem Reichtum der Müllerstochter interessiert. Stroh zu Gold soll sie spinnen, sonst muss sie sterben. Wenn sie es aber drei Nächte hintereinander schafft, heiratet er sie. Ja, verdammt, was bitteschön ist das denn für eine Wahl: Heiraten oder Sterben? Was für ein widerlicher Irrer ist denn dieser König? Doch wer erweist sich hier als Retter in der Not? Das Rumpelstilzchen!

Ein Halsband und einen Ring nimmt es von der schönen Müllerin für seine Dienste und dann das Versprechen, ihm ihr erstes Kind zu überlassen. Was es damit anfangen will, sagt das Männchen übrigens nicht. Von Aufspießen und Essen des Säuglings ist da z.B. keine Rede, es will einfach nur das Kind, möglicherweise deshalb, weil es selbst keine Kinder zeugen kann. Sonst hätte es von der Müllerstochter des nachts nämlich anderes verlangt als alten Schmuck für seine Gegenleistung. (Außerdem hat Rumpel nur ein kleines Stilzchen…) Und was tut sie? Hält sich nicht an ihr Versprechen, obwohl er ihr doch das Leben gerettet hat. Glatter Vertragsbruch! Stattdessen lässt sie ihn ausspionieren (Verletzung der Privatsphäre), verarscht ihn nach Strich und Goldfaden („Heißt du vielleicht Heinz?“) und botet ihn letztlich aus, indem sie seine Identität preisgibt (Datenschutz???). Und zum Dank muss sich das arme Männchen auch noch selbst entzweireißen. Wie arg ist das denn!?! Erst helfen und dann noch dafür bestraft werden?

Es herrscht also keine erzählerische Gerechtigkeit im Märchenwald, denn sonst wären der fiese Zuhältervater und der geldgeile König zur Rechenschaft gezogen worden anstelle des armen Rumpelstilzchens. Doch die mächtigen Männer der Märchenwelt sind anscheinend unantastbar, ganz gleich, wie sehr sie andere ausbeuten (ob monetär und sexuell). Kommt mir irgendwie bekannt vor… Ob der Trump Tower in New York eigentlich mit Strohgold ausgestattet wurde?

Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.

My Books! „And, oh! …“

Column by Susanne Falk

For generations, this poor creature has been misunderstood. Small, evil, and a potential child-snatcher? Not at all! That’s why I want to defend the most misjudged being in the fairy tale world today: Rumpelstiltskin.

Of course, Grimms’ fairy tales can be interpreted in countless ways, no question. Historically, feminist, psychologically, text-immanently — the list of possibilities is almost endless. Yet, every interpretation ultimately boils down to the fact that the little man who lives in the woods and enjoys performing ritualistic fire dances when he’s not busy saving beautiful miller’s daughters’ necks is misunderstood. Because the true villain in this tale isn’t even the titular character but someone else entirely.

„There was once a miller, who was poor, but he had a beautiful daughter.“ Exposed, right in the first sentence! The man had no money (though millers usually had a decent livelihood), but he had a beautiful daughter, which means: she was the only thing he could monetize. And that’s exactly what he did. To put it bluntly, this is prostitution. The father is essentially the pimp of his daughter. And the king? Willingly agrees to the deal. Instead of her beauty, he is far more interested in the enslavement and eventual wealth the miller’s daughter could bring him. She must spin straw into gold, or else she’ll die. If she succeeds for three consecutive nights, he’ll marry her. Yes, seriously, what kind of choice is that: marriage or death? What kind of vile lunatic is this king? And who ends up being the real savior here? Rumpelstiltskin!

He takes a necklace and a ring from the beautiful miller’s daughter for his services and then asks for the promise of her firstborn child. What he plans to do with the child, by the way, is never stated. For example, there’s no mention of him intending to skewer or eat the infant; he simply wants the child, possibly because he can’t have children of his own. Otherwise, he might have asked the miller’s daughter for something else at night instead of old jewelry as payment for his services. (Also, Rumpel only has a little stilzchen, after all…) And what does she do? She breaks her promise, even though he saved her life. A blatant breach of contract! Instead, she has him spied on (a violation of privacy), mocks him shamelessly („Is your name Heinz, perhaps?“), and ultimately betrays him by exposing his identity (data protection???). And as thanks, the poor little man is forced to tear himself in two. How cruel is that?! Helping someone, only to be punished for it?

There is clearly no narrative justice in the fairy tale world, because otherwise, the despicable pimp father and the gold-hungry king would have been held accountable instead of poor Rumpelstiltskin. But the powerful men of the fairy tale world seem untouchable, no matter how much they exploit others (whether monetarily or sexually). Seems oddly familiar… I wonder if the Trump Tower in New York is equipped with straw gold?

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