Kolumne von Susanne Falk.
Große Aufregung im Märchenwald: Prinzessin Mia will lieber ein Monster als eine brave Königstochter sein. Schon okay, möchte man sagen, folge deinen Träumen, Mia! Aber dann stellt sich heraus: Mia ist nicht das eigentliche Monster in der Geschichte, sondern der Autor.
Ein Kinderbuch der Swisscom sorgt für einigen Wirbel, denn das Buch mit dem Titel „Die Monsterprinzessin“, das in einer Auflage von 6000 Stück unter die Menschheit gebracht wird, ist KI-generiert. „Pfui!“, „Böse!“ und vor allem „Urheberrecht!“ schreit es durch die Bücherlandschaft. Wie konnte sich die Swisscom nur auf so ein Projekt einlassen! Das führt ja jede Förderung kreativer Buchkreatoren ab absurdum. Wenn das jetzt die Zukunft des Kinderbuchs sein soll, na dann gute Nacht, ihr Monster da draußen!
Nun muss man erst einmal anmerken, dass KI natürlich ein Tool ist und nicht von sich aus kreativ. Die KI klaut auch nur dort, wo es schon etwas gibt und tatsächlich erinnern die Zeichnungen des besagten Kinderbuchs ziemlich stark an einen Megahit der letzten Jahre am Kinderbuchmarkt: „Das NEIN-Horn“ von Marc-Uwe Kling und Astrid Henn. Die „Monsterprinzessin“ Mia hat durchaus etwas Ähnlichkeit mit einer gewissen KönigsDOCHter, die auch nicht machen will, was Prinzessinnen so für gewöhnlich tun und stattdessen lieber mit einem mauligen Einhorn, einem leicht depressiven NahUND und einem schwerhörigen WASbären durch die Lande zieht. Hier ist es ein leicht unmotiviert dreinblickendes Ding aus dem Sumpf/Wald namens Grollo, das als Sidekick dient und ein muffeliges Drachenbaby, das die Prinzessin aus einem Loch retten muss, in das Grollo angeblich nicht hineingepasst hätte. Nun ja…
Große Kulleraugen, eine freundliche Story, etwas Selfempowerment für Mädels und zum Schluss eine Anleitung, wie man ein Kinderbuch mittels KI erstellt – das bietet „Die Monsterprinzessin“. Und dazu einen hübschen, kleinen Skandal, weil KI böse und die Swisscom überhaupt ganz schrecklich gemein ist, weil man so echten kreativen Zeichnern und Textern die Arbeit wegnimmt.
Das ist natürlich vollkommen richtig: Man sollte kreative Arbeit erstens besser bezahlen und zweitens auch besser schützen, speziell vor Ausbeutung durch KI, die, um es ehrlich zu sagen, mal überhaupt eine künstliche und keine künstlerische Intelligenz ist. Wobei man darüber streiten darf, dass das Wort Intelligenz hier gleichfalls fehl am Platz scheint, denn nichts an diesem Kinderbuch ist wirklich intelligent. Die Story ist lieb, aber nicht sehr originell, die Charaktere bleiben sehr schablonenhaft und die Story wirkt wie aus einem Kinderbuchtitel einer Kleinstadtbuchhandlung geklaut, Abteilung „freche Mädchen“, Jahrgang 2004. Schon hundertmal gelesen. Aber: Der letzte Teil des Buchs hat es in sich, denn der regt zur Erstellung eigener, KI-unterstützter Kinderliteratur an. Bei allem Verständnis für die Wahrung von Urheberrechten: Ich kann nichts Verwerfliches daran finden, wenn man Kinder dazu anleitet, im Netz ihre eigenen Geschichten zu erstellen. Der Input zur Story kommt ja immer noch von den Kindern selbst, nur wirken die KI-Illustrationen einfach professioneller, als wenn man mit den begrenzten Möglichkeiten von Filzstift und Wasserfarben selbst zum Illustrator wird.
Natürlich hätte die Swisscom einen echten Kinderbuchautoren und eine coole Illustratorin engagieren können, um ein tolles Kinderbuch zu machen, keine Frage. Der Sinn der Sache war aber das Prinzip „Do it yourself!“ zu vermitteln und das tut dieses Buch tatsächlich. Das wirkt nur auf den ersten Blick bedenklich. Auf den zweiten erkennt man darin ein vorsichtiges Herantasten der Erwachsenenwelt an die KI, mit der unsere Kinder in Zukunft leben und arbeiten werden. Ziemlich holprig, etwas ungelenk und auch nicht sehr originell, aber immerhin mit Vertrauen in die kreativen Fähigkeiten einer kommenden Generation. Das ist, bei aller Kritikwürdigkeit, durchaus kein schlechter Ansatz.
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My Books! „Of Monsters and Humans„. Column by Susanne Falk
Big excitement in fairy tale land: Princess Mia would rather be a monster than a proper royal daughter. Fair enough, you might say – follow your dreams, Mia! But then it turns out: Mia isn’t the real monster in this story – the author is.
A children’s book by Swisscom is causing quite a stir because the book titled “The Monster Princess,” distributed in a run of 6,000 copies, is AI-generated. “Shame!” “Evil!” and especially “Copyright!” echo through the book world. How could Swisscom get involved in such a project? This undermines all efforts to support real creative book creators. If this is the future of children’s books, then good night, monsters out there!
First, one should note that AI is, of course, a tool and not creative in itself. AI only steals from what’s already out there, and indeed, the illustrations in the mentioned children’s book bear a striking resemblance to a megahit of recent years in the children’s book market: “The Unicorn Said No” by Marc-Uwe Kling and Astrid Henn. The “Monster Princess” Mia does bear a certain resemblance to a certain princess, who also refuses to do what princesses are typically supposed to do and instead roams the land with a grumpy unicorn, a slightly depressed hound, and a hard-of-hearing raccoon. Here, it’s a slightly unmotivated-looking creature from the swamp/forest named Grollo serving as the sidekick, and a grumpy dragon baby that the princess must rescue from a hole Grollo supposedly couldn’t fit into. Well…
Big doe eyes, a friendly story, a bit of girl empowerment, and at the end, a guide on how to create a children’s book using AI – that’s what “The Monster Princess” offers. Plus a tidy little scandal, because AI is evil and Swisscom is just plain mean for taking jobs away from real creative illustrators and writers.
That’s absolutely correct: creative work should first be paid better and secondly better protected – especially from exploitation by AI, which, to be honest, is artificial but certainly not artistic intelligence. Although one might argue the word “intelligence” itself is out of place here, since nothing in this children’s book is truly intelligent. The story is sweet but not very original, the characters are flat, and the plot feels lifted straight from a children’s book shelf in a small-town bookstore, “sassy girls” section, 2004. Read it a hundred times already. But: the last part of the book is the most interesting, because it encourages the creation of one’s own AI-assisted children’s literature. With all due respect for copyright protection, I see nothing wrong with teaching kids how to create their own stories online. The story input still comes from the kids themselves – only the AI illustrations look more professional than what you’d get from limited felt-tip pens and watercolor sets.
Of course, Swisscom could have hired a real children’s book author and a cool illustrator to make a great children’s book, no question. But the point was to convey the principle of “do it yourself!” and this book actually achieves that. It only seems problematic at first glance. On second glance, it’s a cautious step by the adult world toward AI – a world our children will live and work in in the future. Pretty clumsy, a bit awkward, and not very original, but at least it shows trust in the creative abilities of the next generation. And that, for all its flaws, is not a bad starting point.



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