Es war vor 40 Jahren, als fünf Blechbläser anfingen, gemeinsam als Ensemble zu spielen. Heute sind es zehn Spieler, die rund um den Erdball als GERMAN BRASS ihre Zuhörer zu Begeisterungsstürmen hinreißen.
Feuilletonscout sprach mit Stefan Ambrosius. Er spielt bei GERMAN BRASS die Tuba.
Feuilletonscout: GERMAN BRASS gibt es seit 1974, als es als Deutsches Blechbläserquintett begann. Haben Sie Kontakt zu den Gründungsmitgliedern? Spielen diese noch?
Stefan Ambrosius: Ein Mann der allerersten Stunde spielt noch und wird auch am kommenden Freitag in Berlin auftreten. Wolfgang Gaag war dabei, als es an der Hochschule für Musik in Berlin losging. Kurze Zeit später hat auch Matthias Höfs angefangen. Es gibt einige, die schon sehr, sehr lange Ensemblemitglied sind.
Feuilletonscout: Wie werden neue Mitglieder ausgewählt?
Stefan Ambrosius: Es gibt kein klassisches Vorspielen wie man es aus dem Orchesterbetrieb sonst kennt. Es ist eher so, dass man vorgeschlagen wird. Außerdem kommt es ab und zu auch vor, dass wir Aushilfen brauchen, weil jemand verhindert oder krank ist. Die Blechbläserwelt ist da relativ überschaubar. Und so kommt es dann vor, dass jemand von uns den Vorschlag macht, es mal mit dem einen oder anderen Kollegen zu probieren. Oft ist das für den Ausgewählten eine Art Probekonzert, ohne dass er weiß, dass er getestet wird.
Feuilletonscout: Bleibt es denn immer bei den zehn Ensemblemitgliedern?
Stefan Ambrosius: Eigentlich sind wir ja elf mit unserem Schlagzeuger. Jemand Neues kommt nur hinzu, wenn einer von uns aufhört. Bei mir war es so, dass 2006 mein Vorgänger Walter Hilgers an der Tuba aus privaten Gründen bei GERMAN BRASS aufhören wollte. Ich hatte damals im Herbst und in der Weihnachtszeit ungefähr zehn Konzerte aushilfsweise übernommen. Anfang 2007 klingelte dann bei mir das Telefon und Christoph Baerwind fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, bei GERMAN BRASS dauerhaft mitzuspielen. Sie hätten in der Gruppe gesprochen und wollten mich gern dabei haben. So war es auch zuletzt bei Fritz Winter, der letztes Jahr dazugekommen ist. Meistens gibt es auch gar keine großen Diskussionen. Die Entscheidung fällt sehr einvernehmlich.
Feuilletonscout: Ich höre daraus, dass es nicht so schwierig ist, Nachwuchs zu finden?
Stefan Ambrosius: Mir würden zum Beispiel fürs Horn spontan zwei, drei Kollegen einfallen, die man fragen könnte. Ich weiß, dass ich damals, als ich gefragt wurde, fast vom Stuhl gekippt bin. Ich kannte die Besetzung nur von CDs, und es war ein Wahnsinn, dass ich da mitspielen konnte und schließlich auch als festes Mitglied bleiben durfte. Da sagt man nicht nein.
Feuilletonscout: Sie sind mit 38 Jahren das jüngste Ensemblemitglied, der älteste unter Ihnen ist 71. Ist der Altersunterschied eher hinderlich oder befruchtend?
Stefan Ambrosius: Ich habe immer den Eindruck, dass die Musik unheimlich jung hält. Wenn ich mir Wolfgang anschaue, dann ist er unglaublich jugendlich und nicht kaputtzukriegen. Wenn wir auf Reisen sind und Tourneen machen, ist das ziemlich anstrengend: Die langen Flüge und dann manchmal ohne Pause gleich in den Konzertsaal. Häufig gehe ich dann mehr auf dem Zahnfleisch als er oder die anderen älteren Kollegen. Auch musikalisch ist die Zusammenarbeit sehr befruchtend. Jemand mit einer so unglaublichen Erfahrung kann einem Jüngeren noch ziemlich viel zeigen, gerade von seiner Art zu spielen und seiner Bühnenpräsenz, ohne dabei belehrend zu sein. Auch menschlich klappt es in der Gruppe prima. Ich habe nie das Gefühl, dass Welten zwischen uns liegen. Davon merkt man nichts, außer vielleicht, dass ich mich um so etwas wie E-Mails und SMS schreiben kümmere.
Feuilletonscout: Gibt es ein Land oder Länder, in denen Sie besonders gern spielen?
Stefan Ambrosius: In letzter Zeit waren wir sehr häufig in Asien. Nicht mehr so sehr in Japan, sondern mehr in Südkorea und China. Es ist unglaublich, was da los ist! Wenn wir auftreten, ist das wie ein Popkonzert, sobald wir in den Saal kommen. Das Publikum kreischt, jubelt und schreit, obwohl wir noch keinen Ton gespielt haben. Das ist ein Gefühl, das wir sonst nicht haben. In Deutschland wird man in der Regel nicht unbedingt mit Füßetrampeln und Gekreische empfangen. Man hat wirklich den Eindruck, dass in Asien unsere Musik geradezu aufgesogen wird, vor allem auch von jungen Leuten. Das macht mir persönlich sehr viel Spaß. Wir sind inzwischen fast jährlich in Korea und haben dort auch schon einen richtigen Fankreis, der immer wieder nach uns fragt.
Feuilletonscout: Wenn man in einer solchen großen Gruppe reist, ist man zwangsläufig viel zusammen. Auf der Reise, beim Proben, während der Auftritte. Braucht man dann auch hin und wieder Abstand zu den Kollegen? Wie bewerkstelligen Sie dies?
Stefan Ambrosius: Ich glaube, wir brauchen gar nicht so viel Abstand. Im Gegensatz zu anderen Ensembles machen wir GERMAN BRASS ja nicht hauptberuflich. Wir haben alle noch unsere anderen Jobs, verstreut in den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands, in Hamburg, Stuttgart, Karlsruhe, Berlin und München. Einer wohnt in Graz. Zusammen kommen wir nur für diese 40-60 Konzerte im Jahr. Das ist eher wie ein Treffen unter Freunden. Man ist dann gern zusammen. Außerdem gibt es immer wahnsinnig viel zu bereden, was per E-Mail manchmal nicht so gut funktioniert. Wenn man zusammen im Bus sitzt, kann man wunderbar quatschen und neue Projekte besprechen. Aber es ist genauso möglich, einfach mal die Kopfhörer aufzusetzen und sich auszuklinken. Ich habe noch nie erlebt, dass wir uns gegenseitig auf die Nerven gehen. Ich glaube, das ist auch ein Grund, warum auf der Bühne eine so besondere Stimmung herrscht. Wir mögen uns und das überträgt sich auf unser Spiel.
Feuilletonscout: Was ist Ihr kuriosestes Erlebnis während einer Konzertreise?
Stefan Ambrosius: Ach, richtig Kurioses gibt es da nicht. Was immer mal wieder vorkommt ist, dass Noten vergessen werden. Bis zum Schluss ist das dann immer Stress für alle, bis von irgendwoher ein Fax eintrudelt. Für mich persönlich ein Highlight war in diesem Sommer eine Reise nach Finnland. Wir waren dort für drei Tage und haben auf einem sehr bekannten und renommierten Brass-Festival im absoluten Niemandsland gespielt. Man fliegt erst nach Helsinki, fliegt dann noch einmal eine Stunde nach Kuopio und fährt dann noch einmal zwei bis drei Stunden durch Wald und Seenlandschaft. Dort waren wir also für drei Tage und haben zwei Konzerte mit unterschiedlichem Programm gespielt. Am Abend haben wir spontan beschlossen, am nächsten Morgen Rafting zu machen. So etwas Gemeinsames hatten wir noch nie vorher gemacht. Und da saßen wir dann alle elf Mann in einem Boot mit Helm und Schwimmwesten. Konnten eintauchen und abschalten. Das war herrlich! Normalerweise laufe ich nicht viel rum an den Konzertorten. Ich möchte fit sein, muss vor dem Auftritt noch üben. Das war in Finnland anders und das war ein tolles Erlebnis.
Feuilletonscout: Alle Mitglieder von GERMAN BRASS sind vielfältig engagiert – als Musiker, aber auch als Dozenten an Musikhochschulen. Wie koordinieren Sie Ihr Übungsprogramm? Wie finden Sie regelmäßig zusammen?
Stefan Ambrosius: Das ist eine Frage, die immer kommt. (lacht). Es muss einfach funktionieren. Wir versuchen, vor dem Konzert wenigstens einmal zusammen zu proben, möglichst mit einigem Zeitabstand vor dem Konzert. Während dieses Treffens kann man schon mal das eine oder andere ausprobieren und das Programm festlegen. Meist gibt es dann einen Tag vor dem Konzert noch einmal eine Probe. Aber es ist natürlich immer eine etwas aufwändige, logistische Sache, und man denkt jedes Mal, dass man die unterschiedlichen Dienst-und Spielpläne unserer Orchestermusiker und Professoren nie unter einen Hut bekommt. Aber im Endeffekt funktioniert es doch. Wir treffen uns natürlich auch in Städten, in die jeder gut kommt. Und derjenige, der vor Ort ist, kann sich, wenn alles früh genug geplant wird, auch um einen Probenraum kümmern. Aber sowas wie „einmal die Woche proben wir in Berlin“ gibt es nicht.
Feuilletonscout: Wie funktioniert das spielerisch?
Stefan Ambrosius: Jeder muss seine Stimme perfekt beherrschen. Man kann nicht noch anfangen, zu üben. Als Spieler muss ich so gut vorbereitet sein, dass die Stücke ruckelfrei durchgespielt werden können. Dann beginnt die musikalische Arbeit.
Feuilletonscout: Das Repertoire von GERMAN BRASS umfasst Klassik, Jazz, aktuelle Soundtracks – alles vom Barock bis zur Moderne. Für Sie gibt es keinen Unterschied zwischen E- und U-Musik?
Stefan Ambrosius: Nein. Wir stehen dafür, dass wir sagen: Wir spielen gute Musik, unerheblich, ob es E- oder U-Musik ist. Und der normale Aufbau unserer Konzerte besteht genau aus diesem Gegensatz. Im ersten Teil spielen wir klassische Musik, meist von unserem Lieblingskomponisten Johann Sebastian Bach, manchmal auch Rossini. Im zweiten Teil platzt dann die Bombe, wenn die Leute sich in Sicherheit wiegen, kommen wir mit einer Big Band Nummer, obwohl wir ja eigentlich alle klassisch ausgebildete Musiker sind. Ich denke, dass wir sehr breit aufgestellt sind und ein großes Repertoire haben ist auch Teil unseres Erfolgs.
Feuilletonscout: Macht Ihr Publikum einen Unterschied zwischen E- und U-Musik? Merken Sie Stimmungsschwankungen?
Stefan Ambrosius: Ja, das merkt man. Oft haben wir im ersten Teil eher gemäßigtere Reaktionen, während dann im zweiten Teil mit der lockereren Musik auch wir lockerer sind und das Publikum dann auch gut drauf ist. Lustigerweise hört man im Anschluss immer ganz Unterschiedliches: Die einen hätten lieber mehr Bach gehört, die anderen schwören auf die Big Band Nummern. Für uns hat sich herausgestellt, dass es tatsächlich nur in dieser Kombination, in diesem Gegensatz, funktioniert.
Feuilletonscout: Wie präsentieren Sie Ihre Arrangements? Sind es Shows?
Stefan Ambrosius: Im Gegensatz zu anderen Ensembles, die vielleicht auswendig spielen und dabei herumlaufen, sind wir relativ statisch. Die Musik ist zu komplex, als dass wir uns mit Choreographie beschäftigen könnten. Wenn, dann gibt es eher musikalische Showeffekte. Und natürlich die Moderation von Klaus Wallendorf, einem unserer Hornisten, der auch bei den Berliner Philharmonikern spielt und der seine selbstgeschriebenen Texte vorträgt.
Feuilletonscout: Wie entsteht Ihr Programm?
Stefan Ambrosius: Bei uns sind Alexander Erbrich-Crawford und Matthias Höfs für die Arrangements verantwortlich. Matthias schreibt mehr für den ersten Teil die Stücke, Alexander für den zweiten. Es kommt ganz, ganz selten vor, dass wir etwas schreiben lassen. Wir haben gemerkt, dass niemand es so gut kann wie Ensemblemitglieder, die uns gut kennen und uns die Noten quasi auf die Lippen schreiben. Diese Arrangements gibt es auch nicht zu kaufen, sind auch nicht verlegt. Wir möchten auch gar nicht, dass die halbe Welt diese Stücke spielt. Es würde wahrscheinlich bei anderen auch gar nicht so gut funktionieren, weil sie doch sehr individuell sind.
Feuilletonscout: Wie entscheiden Sie, was gespielt wird? Überlegen sich Ihre Arrangeure etwas, oder gibt es so etwas wie Aufträge von den Konzertveranstaltern, z.B. ein Weihnachtsprogramm?
Stefan Ambrosius: Meist schreiben die beiden Arrangeure, was Sie gerade gerne machen möchten. Das probieren wir dann in einer Probe aus und befinden es für gut. Meistens. Wenn nicht, wird es auch nicht gespielt. Auch da sind wir demokratisch. Natürlich gibt es ab und an Vorgaben, z.B. zu Weihnachten, klar. Manchmal spielen wir auch ohne unseren Schlagzeuger, weil es vom Veranstalter gewünscht wird, bei Kirchenkonzerten.
Feuilletonscout: Haben Sie besondere Lieblingsstücke oder – epochen?
Stefan Ambrosius: Ich bin tatsächlich jemand für den ersten Teil. Ab und zu geben wir Konzerte, bei denen wir in großen Kirchen ein reines Bachprogramm spielen. Das finde ich toll. Aber das hat auch mit etwas sehr Persönlichem zu tun. Bei den Big Band Stücken habe ich häufig durchgängig Basslinien zu spielen. Und das ist so wahnsinnig anstrengend, dass ich, wenn drei solche Big Band Nummern hintereinander kommen, immer total fertig bin. Da spiele ich lieber Bach.
Feuilletonscout: Was ist Ihr musikalischer Traum?
Stefan Ambrosius: Für das Ensemble wünsche ich mir, dass wir endlich unsere USA Tournee hinbekommen. Es gibt dort drüben unheimlich viele Blechbläser, und wir haben viele Fans in Amerika. Aber irgendwie gestaltet es sich sehr schwierig, dort aufzutreten.
Ich persönlich möchte gern einmal in einer völlig ausverkauften Royal Albert Hall in London spielen. Vielleicht mal bei den Proms. Das wäre was!
Feuilletonscout: Was sollen die Menschen von Ihrer Musik in Erinnerung behalten?
Stefan Ambrosius: Was ich immer wieder von Leuten höre ist, dass ihnen der Klang der Bläser so gut gefällt. Er gibt so ein warmes, wohliges Gefühl beim Zuhören. Und das möchte ich auch: Dass die Menschen nach dem Konzert total zufrieden nach Hause gehen, vielleicht noch mit einem Lied auf den Lippen.
Feuilletonscout: Was wären Sie geworden, wenn nicht Tubaspieler?
Stefan Ambrosius: Ich hätte alles Mögliche werden können. Ich hatte mich bei der Polizei beworben, habe dann aber eine Ausbildung zum Kaufmann gemacht und schließlich sogar zwei Semester BWL studiert. Also, ich wäre wohl tatsächlich in Richtung Bank gegangen. Und lustigerweise bin ich auch für die Verträge und die Steuer bei GERMAN BRASS zuständig.
Feuilletonscout: Wie finanziert sich GERMAN BRASS?
Stefan Ambrosius: Wir finanzieren uns über die Honorare, die der Veranstalter zahlt. Das reicht, um die Fahrtkosten zu decken und ein Honorar auszuschütten. Aber niemand von uns spielt bei GERMAN BRASS in erster Linie wegen des Geldes. Und gerade für mich als Tubaspieler, der an der Bayerischen Staatsoper nicht immer zum Einsatz kommt, ist ein solches Ensemble eine wunderbare musikalische Herausforderung.
Vielen Dank, Stefan Ambrosius!
GERMAN BRASS spielen am Freitag, dem 12.12.2014 in der Kammerphilharmonie Berlin „Weihnachten rund um die Welt –Weltberühmte Weihnachtslieder„.
Tickets bei der Konzertdirektion Prof. Victor Hohenfels und bei Eventim über Feuilletonscout, auch für alle weiteren Konzerte bis März 2015, hier auf dieser Seite (rechts).
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