In Afghanistan dürfen Frauen nicht alleine vor die Tür: Nicht spazieren gehen, nicht einkaufen, nicht arbeiten, nicht zum Arzt, geschweige denn ausgehen, Mädchen dürfen nicht draußen spielen und herumtollen – es sei denn, ein männliches Wesen aus der Familie ist dabei. Und da reicht es schon, wenn es der kleine Sohn oder Bruder ist, damit sich Mutter und Schwester frei bewegen können. Hat eine Familie also nur Töchter, dann hat die Frau meist zwei Probleme: Zum einen wird sie geächtet, weil sie sich nicht stark genug einen Jungen gewünscht hat, und zum anderen können sich sie und ihre Töchter nur im geschlossenen Haus aufhalten.
Der Junge, der eigentlich ein Mädchen ist
Dass sich Menschen, die unter derart schwierigen gesellschaftlichen Bedingungen leben müssen, Tricks ausdenken, diese Restriktionen zu umgehen, wundert nicht. In Afghanistan geht das so: Wenigstens eine der Töchter wächst – zumindest für eine gewisse Zeit – als Junge auf. Kurze Haare, Baseballcap auf dem Kopf, wild, manchmal auch frech, männliches Gehabe. Und schon ist alles leichter: Die Mutter nimmt ihren „Sohn“ einfach mit zum Einkaufen oder Arzt, die Schwestern toben gemeinsam mit dem „Bruder“ an der frischen Luft. Häufig für jedermann sichtbar, spielt dort ein Mädchen als Junge verkleidet. Und doch schweigen alle. Bacha posh – als Junge gekleidet, nennt man diese Mädchen. Schwierig wird es erst, wenn die Zeit der Glückseligkeit vorbei ist und der „Junge“ in die Mädchenrolle zurückkehren soll. Hier erwartet sie dann das übliche: Verschleierung und Verheiratung, ein Dasein im Haus, fern jeder Öffentlichkeit. Dass so manches Mädchen dann erst recht unglücklich ist, mit allen physischen und psychischen Folgen, und sich der neuen Rolle widersetzt, ist mehr als nachvollziehbar.
Die schwedische Korrespondentin des Svenska Dageblad, Jenny Nordberg, entwickelte als Journalistin der New York Times nach einer ersten Reportage zu diesem Thema eine ganze Studie, die nun als „Afghanistans verborgene Töchter“ vorliegt.
ZEIT Literatur (März 2015) hält fest: „Nordbergs Buch erzählt von den Mühsalen des Alltags, aber noch spannender ist es, wie sie das rigide System dieser Geschlechtertrennung entfaltet.“
Süddeutsche online konstatiert: „Die schwedische Autorin und Journalistin Jenny Nordberg beschreibt in „Afghanistans verborgene Töchter“ sehr eindrücklich, was es bedeutet, als Mädchen in Afghanistan aufzuwachsen. Oder als falscher Sohn.“
Jenny Nordberg
Afghanistans verborgene Töchter
Wenn Mädchen als Söhne aufwachsen.
a. d. Englischen von Gerlinde Schermer-Rauwolf und Robert A. Weiß
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2015
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Mädchen dürfen ja auch gar nichts. Wenn sie zur Frau heranwachsen, dann müssen sie heiraten und sobald sie geheiratet haben, werden sie erst recht wieder eingesperrt, dürfen nicht studieren und eigentlich gar nichts machen! Leider setzen viele Menschen ihre „Traditionen“ auch nach der „Flucht“ in Deutschland fort. Eine Schwierigkeit für die Immigration! LG Silvie :-)
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