Spißi, Spaßi, Kasperladi,
Hicki, Hacki, Karbonadi,
Trenschi, Transchi, Apetiti,
Fressi, Frassi, Fetti, Fitti.
Schlicki, Schlucki Kasperlucki,
Dricki Drucki mamelucki,
Michi, Machi Kasperlores,
Spißi, Spaßi, Tscha kapores.
Alles klar? Das kurze Gedicht ist, was der Münchner »schenial« nennt; scheinbarer Blödsinn oder Dada drei Generationen vor Dada; dabei ist jedes Wort verständlich; konkrete Poesie mehr als hundert Jahre vor der Konkreten Poesie. Früher kannte jedes Kind diesen Gesang der um den Kochtopf herumtanzenden Wilden, in dem sich Kasperl Larifari befindet. Noch heute kennen es in Bayern ziemlich viele, zumal der Klassiker sich zahlreicher Bearbeitungen im Kinderhörspiel erfreut. Franz von Pocci, der Schöpfer des Kasperl Larifari, hat sein Werk »Kasperl unter den Wilden« genannt. Ein kulturhistorisches Drama in zwei Aufzügen«, 1853 zuerst publiziert.
Der Hofbeamte als kasperlistischer Anarchist
Der Graf italienisch-bayrischer Abkunft, Page bei Ludwig I., vierzig Jahre lang Hofbeamter dreier Könige, war ein Universalgenie. Neben seiner Karriere am Hofe dichtete, komponierte, zeichnete und malte er. Ludwig I. gab Schloss Ammerland am Starnberger See Poccis Vater Fabrizio zum Lehen. Franz, der Kasperlgraf, machte es zu einem Treffpunkt der kulturellen Elite von Oberbayern. Grund genug für das Museum Starnberger See, den Kasperlgrafen in einer Ausstellung zu ehren, die sich über zwei der vier Stockwerke des Seemuseums erstreckt. Man könnte Pocci als den Nestroy des Marionettentheaters bezeichnen. Wortspiele, Versprecher, Verhörer und Parodie der vermeintlich gehobenen Sprache gehören zu den dichterisch-dramatischen Mitteln seines Kasperltheaters.
In dem königlichen Beamten nistete ein beträchtliches urbayrisch-anarchistisches Potential. Reinhard Valenta sprach gar von »Franz von Poccis Münchner Kulturrebellion«. Pocci führt seinen Protagonisten Larifari als Person auch in Klassiker wie König Drosselbart ein. Das Stück wurde im September 1876 am Münchner Marionettentheater neben dem Gärtnerplatztheater uraufgeführt, wie uns eines der zahlreichen Theaterplakate in der Ausstellung verrät. Nicht minder Parodie ist Poccis gezeichnete Figur der Staatshomorrhoidarius, eines trägen, vordringlich auf das eigene Wohl bedachten bayrischen Staatsbeamten, eines Vorgängers des Josef Filser von Ludwig Thoma.
Zeugnisse eines Universalgenies
Pocci illustrierte zudem gern Werke zeitgenössischer Dichter wie Emanuel Geibel und J. P. Hebel. Ob er seine eigenen Dichtungen illustrierte, weiß man nicht. Denn es bleibt unentschieden, ob die Zeichnungen die Gedichte oder die Gedichte die Zeichnungen bebildern. So eine Vielfachbegabung war er. Wie wir in den Gemälden, Zeichnungen, Drucken und Manuskripten der Starnberger Ausstellung sehen können, bleibt Poccis Humor stets bewusst, dass darunter eine Welt des Dämonischen, Unkontrollierbaren wuchert. So läuft es bei ihm, in welcher Gattung auch immer, auf das Balladeske hinaus. Gern bediente er sich des zu seiner Zeit beliebten Bilderbogens. Seine gezeichneten Figuren bleiben jenen der Puppenbühne verwandt. Sie sind meist spindeldünn und überdehnt, und man hat den Eindruck, das Missing Link zwischen J. H. Füsslis dämonischen Gestalten und der schlaksigen Erscheinung eines Karl Valentin vor sich zu haben.
Noten und Kopfhörer erlauben es dem Besucher der Ausstellung, dem Komponisten Franz von Pocci sein Ohr zu leihen. Er entdeckt einen begabten Tondichter von Albumblättern, die sich vor denen Mendelssohns und Schumanns nicht verstecken müssen. Gemütlich ist Poccis Version des neunzehnten Jahrhunderts nicht. Seine Armee von widerspenstigen Figuren und Figurinen unterläuft das bürgerliche Idyll. Pocci der Puppenvater erweckt sie zu einem übermütigen Leben.
Franz Graf von Pocci – Ein Multitalent vom Starnberger See
Ausstellung bis zum 23. Oktober 2016
Faltblatt_Pocci_zum Download
Museum Starnberger See
Possenhofener Strasse 5
82319 Starnberg
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag: 10 bis 17 Uhr
3 Euro/2 Euro
Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.