Rezension von Ingobert Waltenberger.
Johannes Debus, Musikdirektor der Canadian Opera Company in Toronto, gelingt als Dirigent einer Aufführungsserie von Janaceks bewegender Natur- und Tieroper in der Frankfurter Oper eine wundersame musikalische Interpretation. Das hell timbrierte Frankfurter Opern- und Museumsorchester, der Chor und Kinderchor der Oper Frankfurt und alle Solisten machen sich die komplexe Partitur rund um das eigenwillige Füchslein Schlaukopf, um Gefangenheit und Freiheit, Realität und Traum, den ewigen Kreislauf des Lebens ganz und gar zu Eigen. Die Sympathie für die Gattung Mensch bleibt in diesem rasch und intensiv dem Augenblick huldigenden Kosmos zwiespältig. Die durchwegs in die Jahre gekommenen Figuren aus der Menschenwelt bedauern starr von der ewigen Frische der Natur an den Rand verwiesen die Vergänglichkeit von Liebe und Leben.
Intensiv leuchtend beschwört das Orchester den Wald, sein Knacken und Knistern, das sich irisierend in den Baumwipfeln brechende Sonnenlicht, den Gesang und das Lärmen der Grillen, Heuschrecken, Mücken und Frösche. Libellen tanzen in der flirrenden Sommerluft. Der Dackel und die Hennen auf des Försters Hof preisen ihr ruhiges Leben, bis das vermeintlich zahme Füchslein dem Hühnerhof den Garaus macht.
Darum geht es in Janaceks Oper: Das Aufeinanderprallen der Sphären Natur und Zivilisation mit ihren jeweiligen unbeugsamen Gesetzen. Die scheinbare Leichtigkeit des Augenblicks als ausgelassene Feier der Natur ist eine episodenreich durch feines orchestrales Weben zusammengehaltene Spiegel-Metapher für unser Universum. Wobei Janacek hier sehr wohl Stellung nimmt und die Tierwelt in ihrer „Unverschämtheit“, ungeordneten Aufregung, spontanen Lust und ihrem unzähmbaren Instinkt als sympathisch phantastisches Biotop imaginiert im Gegensatz zum Menschen – Förster, Schulmeister, Pfarrer und Gastwirt- der in Gedankenschwere befangen seinem tristen Alltag folgt.
Debus arbeitet mit dem fabelhaften Orchester die in komplexen Rhythmen changierenden musikalischen Impressionen in pentatonischen Skalen bzw. Ganztonleitern mit subtilem Gestaltungsvermögen heraus. Janaceks so unverwechselbare, zwischen ariosen Passagen und instrumentalen Zwischenspielen modulierende Klangsprache knüpft sich dabei verständlich und stets transparent zu einem spannungsreichen Erzählfaden. Die Zeitsprünge und Ortswechsel erhöhen Filmschnitten ähnlich die Dringlichkeit, die existenzielle Macht und den Vorwärtsdrall der Handlung.
Natürlich enthält das schlaue Füchslein auch eine anrührende Liebesgeschichte zwischen unserem frechen Schlaukopf, Zögling der Försterei am See, und dem kraushaarigen Fuchs Goldmähne. Diese kurze emphatische Szene mit einem jungen Hasen als Liebesgabe und allem sonstigen romantischen Drum und Dran darf wohl als Höhepunkt der Oper gelten. Final ereilt unser schon verheiratetes und nachwuchsreiches Füchslein der Tod, vom Wilderer Haraschta in einer Laune erschossen. Der Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt schließt sich: Ein kleines Fuchskind tanzt eine Variante des allerersten Auftritts von Schlaukopf. Der Förster darf in einem bewegenden Schlussmonolog die Schönheit des Reigens von Vergänglichkeit und Geburt besingen.
Das schlaue Füchsen ist ein Lackmustest für jedes Opernensemble. Die Frankfurter Oper ist für die anspruchsvolle Aufgabe bestens gerüstet und wartet mit einer erstklassigen Besetzung bis in die kleinsten Rollen auf. Louise Alder darf als ein ideale Interpretin der Titelrolle gelten. Mit glockenhellem Sopran vermittelt sie sowohl die frechen Launen als auch das Verliebtsein des jungen Tiers. Ihr nichts nach wirft Simon Neal seinen prächtigen Bass-Bariton ganz in die Waagschale der weisen Figur des naturverbundenen Försters. Als Fuchs brilliert die finnisch-schwedische Mezzosopranistin Jenny Carlstedt.
Joanna Krasuska-Motulewicz als Försterin und Eule, Beau Gibson als Schulmeister, Magnús Baldvinsson als Pfarrer, Sebastian Geyer als Haraschta, Nina Tarandek als Dackel, Specht und Dachshund, Michael McCown als Gastwirt, Britta Stallmeister als Schöpfhenne und Gastwirtin belegen den hohen Rang, die Wandlungsfähigkeit und die vokale Charakterisierungskunst des Ensembles der Frankfurter Oper.
Fazit: Der auch aufnahmetechnisch so erfreuliche Mitschnitt verdient eine uneingeschränkte Empfehlung!
Leoš Janáček
Das schlaue Füchslein
Live Aufnahme der Premieren-Serie April/Mai 2016 der Oper Frankfurt
OEHMS Classics 2019
CD kaufen oder nur hineinhören
Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.