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casalQuartett: „Beethovens Welt 1799-1851. Der Revolutionär & seine Rivalen

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Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker MusikRezension von Ingobert Waltenberger.

Auf fünf CDs werden in der vorliegenden programmatisch nicht nur gescheiten, sondern auch musik-archäologisch spektakulären Box Beethoven samt einigen Vor- und Nachläufern als Komponisten von Streichquartetten vor den Vorhang gebeten. Neben drei Streichquartetten von Ludwig van Beethoven selbst (Nr. 1 in F-Dur Op. 18 Nr. 1, Nr. 9 in C-Dur Op. 59 Nr. 1 und Nr. 16 in F-Dur, Op. 135) sollen Werke von Joseph Haydn (Streichquartett in G-Dur Op. 77), Luigi Boccherini (Streichquartett in F-Dur Op. 64 Nr. 1), Gaetano Donizetti (Streichquartett Nr. 17 in D-Dur), Franz Schubert (Quartett Nr. 14 in d-Moll Op. posthum D 810 „Der Tod und das Mädchen“, Felix Mendelssohn Bartholdy (Streichquartett Nr. 2 in a-Moll Op. 13) und Robert Schumann (Streichquartett Nr. 3 in A-Dur Op. 41/3) Bezüge zu Beethovens zukunftsweisenden kammermusikalischem Schaffen herstellen.

Liebe auf den ersten Ton: Zudem haben die glorreichen vier Erkunder und weltmeisterlich spielenden casalQuartettisten (Felix Froschhammer, Rachel Rosina Späth, Andreas Fleck, Markus Fleck) auch verborgene Schätze gehoben. Als CD-Weltpremieren sind außergewöhnlich schöne Streichquartette von Adalbert Gyrowetz, Peter Hänsel und Carl Cerny zu entdecken.

Im 112 Seiten umfassenden Booklet, das Markus Fleck sorgfältigst recherchiert und spannend anekdotenreich verfasst hat (alleine dafür ist die Edition schon jede Anschaffung wert), ist viel Biographisches und musikhistorisch Relevantes zu erfahren. Ich beschränke mich hier auf die drei mit Premieren geehrten Komponisten.

Adalbert Gyrowetz, Vielschreiber, Vizekapellmeister des Wiener Hoftheaters und einer der Fackelträger bei Beethovens Begräbnis, komponierte insgesamt 60 Streichquartette. Der polyglotte Musiker traf Napoleon, Mozart und Goethe, er schrieb 26 Opern für Wien. Sein Quartett in D-Dur aus dem Jahr 1799 ist eine Bereicherung des Repertoires. Mich begeistert diese wiehernde Keckheit in der Nachfolge Haydns. Was für ein unwiderstehliches ‚omelette surprise‘, vom casalQuartett köstlichst zubereitet.

Genau so wenig bekannt dürfte Peter Hänsel sein. In Warschau aufgewachsen, wirkte Hänsel ein Jahr lang am Hofe des Fürsten Potemkin in St. Petersburg als Geiger, bevor er nach Wien kam. Das Komponieren von Streichquartetten erlernte er bei Haydn und später bei Ignaz Pleyel in Paris. Dieser fein gebildete, humane Geist ist auf der Box mit seinem Quartett in D-Dur Op. 20 Nr. 4 aus dem Jahr 1808 vertreten. Die Aufnahme erlaubt die erste Begegnung mit einem der 58 Streichquartette, die Hänsel uns hinterlassen hat. Wir geben Markus Fleck uneingeschränkt Recht, wenn er meint, dass sich Hänsels Musik durch eine kompositorische Meisterschaft, eine melodisch – dramaturgische Vielfalt und einen hohen Unterhaltungswert auszeichnet, die den Zuhörer gefangen nimmt.“

Der dritte im Premieren-Bunde ist der Beethoven-Schüler und für seine Klavieretüden berühmt berüchtigte Carl Cerny, also absolut kein Unbekannter oder musikgeschichtlich Vergessener. Es gibt auch bereits vereinzelt verdienstvolle Aufnahmen seines ebenfalls umfangreichen Streichquartettschaffens (Sheridan Ensemble, bei Capriccio erschienen). Auf der Box begegnen wir dem 28. Quartett aus 1851. Dieses Werk ist ein im Fahrwasser der Klassik geschliffenes facettenreiches frühromantisches Juwel.

Das Schweizer casalQuartett spielt ganz nach meinem Geschmack. Da gibt es einen starken, hochexpressiven ersten Geiger und drei Mitstreiter, die individuell ebenso klare Kante und Mut zum Ausdruck zeigen wie sie in spannungsreicher Harmonie pralle Klangballons steigen lassen können. Das Quartett ist einmal Stimmungskünstler mit Kontrastgespür wie Rembrandt, hierauf in den Linien scharf Phrasen umreißend wie Goya. Das Ihnen auch Wohlbekanntes hinreißend gerät, beweist die Einspielung von Schuberts Quartett „Der Tod und das Mädchen“.

casalQuartett
Beethovens Welt 1799-1851. Der Revolutionär & seine Rivalen.
Solo Musica 2020
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