Sie wollen als Drehbuchautor oder Regisseur einen Spielfilm für die Anstalt fabrizieren? Wir meinen natürlich die öffentlich-rechtliche Anstalt, nicht die Irrenanstalt. Wenn Sie unsere 20 wichtigsten Prinzipien des deutschen Films beachten, kann nichts schiefgehen, und Ihr Streifen wird ein Riesen-Erfolg! Ein satirischer Ratgeber von Stephan Reimertz.
1.) Für Hauptrollen im deutschen Film stehen nur ein Dutzend Schauspieler zur Verfügung; und zwar immer dieselben.
2.) Der norddeutsche Jargon ist die gültige deutsche Standardsprache.
3.) Polizeikommissare sind immer schwer depressiv.
4.) Oberkommissare werden grundsätzlich von Martin Brambach gespielt.
5.) Stasioffiziere können ausschließlich von Rainer Bock dargestellt werden.
6.) Katholiken gibt es in Deutschland keine, dafür sind zwanzig Prozent der Bewohner des Landes Muslime.
7.) Verdächtige setzen während eines Polizeiverhörs unbeeindruckt ihre Arbeit fort.
8.) Arno Breker dreht sich im Grabe um vor Ärger darüber, dass ihm Anna Loos mit ihrer heroischen Stirnfalte nicht als Modell für seine Skulpturen zur Verfügung stand.
9.) »Hi!« ist ein vollwertiger deutscher Gruß.
10.) Deutsche Schüler sind ausnahmslos drogensüchtig und selbstmordgefährdet.
11.) Passwörter von Computern errät man spätestens beim dritten Versuch.
12.) Jeder dritte Deutsche ist Österreicher.
13.) In deutschen Familien und Polizeikommissariaten wird dasselbe Rotwelsch gesprochen wie in der Unterwelt.
14.) Deutscher Humor ist Humor, über den Deutsche lachen können.
15.) Englischsprachige Songs stellen eine geeignete Filmmusik für deutsche Filme dar.
16.) Anzug, Krawatte, Hornbrille, Aktentasche und Halbschuhe als Uniform des deutschen Spießers sind abgelöst durch Dreitagebart, Lederjacke, Jeans und Turnschuhe, pardon: Sneakers.
17.) Von den gesellschaftlich relevanten Gruppen im Rundfunkrat machen sich bei der Drehbuchgestaltung nur die Vertreter der evangelischen Kirche bemerkbar.
18.) Männer und Frauen verbindet im deutschen Film ein sportskameradschaftlicher Ton. Die deutsche Frau ist eine blitzsaubere Hausfrau, liebevolle Mutter (auch für ihren abgeranzten Ehemann), behält den Überblick, treibt die Handlung voran und bewirkt, dass am Ende alles gut ausgeht. Dabei zeigt sie nie Anzeichen von Überforderung. Der deutsche Mann hingegen ist ein kopfloser Draufgänger, wird vom Drehbuchautor durch die Story gejagt und tritt von einem Fettnäpfchen ins andere. (Der deutsche Film ist also dem Realismus zuzuordnen.)
19.) Künstler, Schriftsteller und Intellektuelle kommen nur als Freaks und Außenseiter vor, unsere afrikanischen Mitbürger vorzugsweise als gutherzige, aber schnell überreagierende Naivlinge. Nur weiße deutsche Mittelschicht im Mittelalter eignet sich, um vorgestanzte Hauptfiguren auszuschneiden.
20.) Pierre Bourdieu und René Girard würden den deutschen Film als Bestätigung ihrer Thesen ansehen: Ein bestimmtes Milieu schreibt Drehbücher, in denen stets ein bestimmtes Milieu dargestellt wird, in welchem die Figuren Habitus und Handlungen gegenseitig imitieren.
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