Kronberg im Taunus beherbergt die sterblichen Überreste von Mafalda von Savoyen. Die italienische Prinzessin starb im KZ Buchenwald. Niemand in Kronberg will etwas davon wissen. Heute begehen wir ihren 80. Todestag. Ein Kommentar von Stephan Reimertz.
Kronberg im Taunus kann für sich das Superlativ in Anspruch nehmen, die versnobtesten Bewohner Deutschlands zu haben. In Kronberg ist jeder mit seinen Aktienkursen, seinem Pferd, seiner Villa und seinem Jaguar beschäftigt. Ein gutes Kaffeehaus wie das Café Kreiner im benachbarten Königstein sucht man in Kronberg vergebens. Die meisten traditionellen Gaststätten sind inzwischen italienische Pizzerias. Bei Kronbergs Altkönigschule handelt es sich um ein in den siebziger Jahren zur Gesamtschule degradiertes Realgymnasium. Wer in Kronberg etwas auf sich hält, schickt seine Kinder auf eine Privatschule in Königstein oder nach England.
Historische Kenntnisse? Fehlanzeige! Menschen wie der weltweit bekannte Historiker und Kronbergologe Wolfgang Ronner (1921 – 2008), Autor des Dreiteilers Als Kronberg hinter Mauern lag und zahlreicher weiterer Monografien zum Rittergeschlecht derer von Kronberg, sind in dem Neureichen-Nest auffallende Ausnahmen. Die Kronberger Malerkolonie mag sich bei einigen Kronbergern noch einer gewissen Beliebtheit erfreuen. Der eine oder andere weiß sogar, das das »Schloßhotel« ursprünglich der Witwensitz der Kaiserin Friedrich war. Den bedeutendsten Kronberger, den Kurmainzer Marschall, Großhofmeister und Oberamtmann zu Höchst und Hofheim, Hartmut XIII. (1517 – 1591), der mit Barbara von Sickingen verheiratet und Vater des Erzbischofs und Kurfürsten Johann Schweikhard von Kronberg war, kennen die wenigsten; auch wenn er in der Nähe des Stadtkerns als Denkmal das betrübliche Tun seiner Kronberger Landsleute beobachtet. Zum Glück gibt es inzwischen die Kronberg Academy, eine weltweit bekannte Institution für Kammermusik, namentlich das Cello, mit einem modernen, akustisch überragenden Konzertsaal und systematischer Förderung des künstlerischen Nachwuchses.
Und wenn man gar durch Kronberg spaziert und die Leute fragt, ob sie die italienische Prinzessin Mafalda kennen, erntet man Kopfschütteln. Dabei war die italienische Prinzessin die Tochter des Königs Viktor Emanuel III. Als »Prinzessin von Buchenwald« ging sie in das unrühmlichste Kapitel der deutschen Geschichte ein, denn im gleichnamigen Konzentrationslager ist die italienische Prinzessin am 27. August 1944 elend zugrunde gegangen. Bei einem Angriff der US Air Force verlor sie einen Arm und starb kurz darauf. Hitler verabscheute die alten europäischen Dynastien. Als der italienische König im Juli 1943 Benito Mussolini seiner Ämter enthob, ließ Hitler acht deutsche Divisionen in Italien einmarschieren. Der italienische König fand Schutz bei den Alliierten. Hitler ließ Mafalda verhaften und nach Buchenwald deportieren.
Die italienische Prinzessin, die seit 1925 mit Prinz Philipp von Hessen (1896–1980) verheiratet war, fand im Hof der mittelalterlichen Burg von Kronberg ihre letzte Ruhestätte. Nicht einmal 42 Jahre alt ist sie geworden. In Italien ist sie unvergessen. In Kronberg kann sich niemand an die »Prinzessin von Buchenwald« erinnern. Kaum einer kennt ihr Grab. Entdecken Sie es im Kronberger Burghof!
Selbst in den zu Pizzerias umfunktionierten Speiselokalen von Kronberg kennt man die italienische Prinzessin nicht. Als wir einen der Kellner nach ihr fragen, antwortet dieser: »Ich bin kein Italiener.«
Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.