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Die Seuche und kein Ende: die zweite Staffel von „Sløborn“

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Von der ins Totalitäre gleitenden Seuchenstory zum Survival-Thriller. Die zweite Staffel von „Sløbornist immer noch sehenswert findet Ingobert Waltenberger.

Worum es geht

Die Insel Sløborn ist inzwischen komplett evakuiert worden. Ganz? Nein, an die zwanzig, überwiegend sehr junge Bewohner konnten sich vor der Bundeswehr verstecken und sind auf der Insel geblieben. Zuerst verläuft das Leben dieser cleveren Widerständler, die fürchten, auf dem Festland auch noch angesteckt zu werden und sterben zu müssen, noch ziemlich idyllisch. Nahrung in Hülle und Fülle, Strom, Wasser, leer stehende Häuser, Hotels und Autos und viel Platz für alle: Da ist die Hauptfigur, die schwangere Evelin (Emily Kusche) und ihre drei jüngeren Brüder (Ron Antony Renzenbrink, Maximilian Brauer, Phileas Heyblom), die sich rührend um den exzentrischen Junkie-Poeten Nikolai Wagner (Alexander Scheer) kümmern. Der schreibt wiederum an seinem neuen Opus mit dem vielsagenden Titel „Apokalypse“ und erweist sich trotz Infektion als beinharter Rambo im aussichtslosen Kampf gegen die Gangster. Ihm verdanken wir einen der wenigen Momente der Serie voller Ironie und Aberwitz, wenn dieser dünne Schreibtisch-Spaghetti  einen muskelbepackten Gangster auf dem Piratenschiff einfach von hinten erwürgt.  Alexander Scheer würde mit seiner schauspielerischen Leistung wieder einmal jedem Tarantino-Film alle Ehre machen.

Die jugendlichen Straftäter, die Magnus anvertraut waren und mit denen er nach Dänemark fliehen wollte, unterstehen jetzt der penetrant regelbesessenen und herrschsüchtigen Sozialarbeiterin Freia (Karla Nina Diedrich). Magnus wurde ja in Staffel 1auf dem Boot von der Bundeswehr erschossen. Kontrollfreak Freia mit dem Hang zur autoritären Führerin sucht für die straffälligen Burschen und Mädchen einen Bauernhof, um nach einem allgemeinen Stromausfall langfristig das Überleben zu sichern. Doch die heterogene Gruppe hält nicht lange, zu anstrengend und willkürlich gestaltet sich das Leben in diesem elenden Überlebenslager. Die sex-, drogen- und partybesessene Ella (Lea van Acken) macht als Erste ihr eigenes Ding. Zuerst beehrt sie mit zwei Kumpels den zutätowierten Muskelprolo Jan (Mads Hjulmand), um Drogen und Auto zu stehlen. Dann wird sie – ganz Berechnung – sein Billigliebchen. Bald dreht sich dieses „Va banque“ Pärchen mit zwei weiteren Mädels vom Bauernhof in einem alkohol-, und drogengetränkten endzeitlichen Feuertanz.

Keine Polizei, keine Gesetze, das Gesetz des Stärkeren: Eines Tages tauchen schwerst bewaffnete Piraten unter der Führung des ehemaligen Inselbewohners Erik auf und durchforsten mit drei Pick-Ups systematisch die Insel nach Diebesgut. Einmal die Woche „beehren“ sie Sløborn mit ihren Einbrüchen und nehmen alles mit, was einigermaßen Wert hat und nicht niet- und nagelfest ist.

Spätestens ab Folge 4 beginnt der aussichtslose Kampf aller gegen alle sowohl gegen den inneren Schweinehund und die bis zur Todesverachtung gehende moralische Verlotterung als auch gegen die unzähligen äußeren Feinde: Eine Umwelt, die sich mittels abgesetzten Funksprüchen nur kurz und unerfreulich zu Wort meldet. Ist die Menschheit dort drüben, auf der anderen Seite des Meers etwa schon ausgelöscht? Nicht ganz zumindest. Auf Husum gibt es laut Funk zumindest noch eine Klinik, die auch angegriffen wird. Aber sie verfügt noch über einige Ärzte, die vielleicht Evelin in ihrer Problemschwangerschaft helfen können. Dann sind da streunende Hunde mit Appetit auf saftiges Menschenfleisch und die tödlichen, anarchisch-archaischen Rivalitäten unter den viel zu vielen Alphatieren der Insel. Der Mann im gelben Schutzanzug samt Gasmaske und Maschinenpistole stellt sich als der wahnsinnig gewordene Sohn des an der Taubengrippe gestorbenen Dorfpolizisten heraus.

Das Ende mit einem doch noch spannenden Showdown naht: Schießen sich die einen mit Drogen weg, um kurz danach in einer Feuerhölle zu schmoren, so versucht Evelin, mit viel Mut und Standfestigkeit rational zu handeln. Auch die drei Buben behalten ihre von Hoffnung getragene Tapferkeit bei. Evelin und ihre kleine Truppe wollen die Insel so schnell wie möglich verlassen. Dazu soll das Schiff der Piraten gekapert werden. Die wollen sich das aber auch nicht so ohne Weiteres gefallen lassen…..

Trotz einiger Längen und dramaturgischer Schwächen sehenswert

Die Fortsetzung der Drama-Serie von Christian Alvart um die Nordsee-Insel Sløborn, deren Bewohner plötzlich einem tödlichen Virus ausgesetzt sind, ist wiederum an den Drehorten Norderney und an der polnischen Ostseeküste entstanden. Leider weisen die Drehbücher im Vergleich zu Staffel 1 einige eklatante Schwachpunkte auf. Sowohl in der Zeichnung  der Charaktere als auch dramaturgisch gibt es jede Menge an Ungereimtheiten: Warum lassen sich die ehemals straffälligen Burschen alle noch so hanebüchene Tyrannei der Sozialarbeiterin Freia so lange gefallen? Warum lässt sich der so eigenbrötlerische Ex-Dealer auf die drei offensichtlich durchgeknallten Frauen ein? Warum sind sie alle auch noch Wochen nach dem Stromausfall und im anstrengenden Fluchtstress noch so perfekt gestylt?  Auch von der Kameraführung her sind die Bilder um verlassene Straßen und Plätze bzw. oft nah auf ganz wenige unsympathische Figuren gerichtet, jetzt eintöniger, bisweilen sogar erschreckend einfallslos.

Abgesehen davon ist die zweite Staffel nach einem eher zähen Start durchaus wieder sehens- und empfehlenswert, weil die Frage nach der dünnen Schicht des Zivilisatorischen in einen aktuellen Kontext gestellt wird: Da sehen wir quasi in einer Labor-Versuchsanordnung Entsolidarisierung bis ans Messer in Umbruchzeiten und unter Extremsituationen. Mit denen ist ausgerechnet eine Generation konfrontiert, die damit unheimlich schlecht zurecht kommt. Trotzdem Evelin bekennt „Soweit ich denken kann, geht immer irgendwo die Welt unter. Ist immer irgendwo die Krise“, weiß sie auch, dass Überleben ohne technische Hilfsmittel (Handy, etc.) eine andere Nummer ist. Die Frage, was in einer solchen Situation Kunst oder genauer Literatur noch kann und was von ihr nach der großen Apokalypse noch übrig bleiben wird, wird in einen Gesamtzusammenhang gestellt Wie wichtig es doch ist, Verantwortung für schwächere zu übernehmen und einen offenen Blick auf die Welt zu haben, um autoritären Tendenzen zu widerstreben.

Nützliche Hinweise: Die Folgen der Staffel 2 sind seit dem 7. Januar 2022 in Deutschland, Österreich und der Schweiz für 180 Tage, also bis zum bis 21.August 2022 frei verfügbar. Die Folgen der 1. Staffel (Rezension hier) sind nur noch bis Ende Januar 2022 verfügbar. Hier geht es zur ZDF Mediathek.

ZDFneo zeigte die Folgen am Dienstag, den 11. Januar 2022 und am Mittwoch, den 12. Januar 2022 ab 20h15 Uhr. Im ZDF sind die Folgen ab Montag, den 21. Februar 2022 zu sehen. Ab 22.15 Uhr kommen dann drei Folgen am Stück und am Dienstag, den 22. Februar 2022 folgen dann ab 0.15 Uhr die letzten drei Episoden.

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