Rezension von Susanne Falk.
„Diejenigen, die Jacominus in hohem Alter gekannt haben (das heißt ganz alt), haben Mühe, sich daran zu erinnern, dass er einmal ein Winzling war. Und Jacominus war wirklich ein klitzekleiner Winzling. Damals hätte man schwerlich wissen können, was einmal aus ihm werden würde.“
Zu unserem großen Glück nimmt uns die Autorin, die das Buch auch gleichzeitig illustriert hat, an die Hand und führt uns durch dieses kleine, aber glückliche Hasenleben des Jacominus Gainsborogh. Vom winzigen Hasenbaby bis zum alten Hasenmann begleiten wir ihn auf den wichtigsten Stationen seines Lebens, das in der Bel Époque beginnt und irgendwann nach dem Ersten Weltkrieg endet. Die Autorin erzählt uns von Jacominus’ liebevoller Großmutter Beatrix, die, ganz Britin, das lahme Bein des kleinen französischen Hasen mit Lakonie und Großmutterwitz schlicht als „ein bisschen verrückt“ bezeichnet. Sie lässt die vielen, kleinen Tierfreunde von Jacominus auftreten, die ihn sein ganzes Leben lang begleiten werden, allen voran Polikarp, und schließlich seine große Liebe Sweety Vidocq, mit der er drei Kinder haben wird. Jacominus liebt und wird geliebt, wird Tod und Verlust verkraften, schafft sich eine eigene Welt aus Sprache (er beherrscht neben Englisch noch Russisch, Italienisch, Korsisch, Latein, Persisch, Kabyllisch und Vietnamesisch), indem er jedem seiner Kinder zwei verschiedene davon beibringt und darf am Ende zufrieden und satt vom Leben unter einem blühenden Mandelbaum sanft entschlafen.
Den großen Reiz dieses wunderbaren Buches macht dabei nicht nur der philosophisch anmutende Text aus, sondern vor allem die detailverliebten Illustrationen der Autorin, die mal Anleihen bei „Peter Rabbit“ von Beatrix Potter, die wohl auch als Namenspatin der Großmutterfigur herhält, nimmt, mal wie Pieter Bruegels „Jäger im Schnee“ daherkommen – freilich ohne Jäger. Denn das Bedrohliche ist nicht so sehr der Tod, dem Jacominus in seinem Leben durchaus begegnen wird, als vielmehr die Angst vor Verlust. Glücklicherweise stehen ihm seine Freunde und Familie dabei zur Seite – genauso wie wir als Leser und freuen uns mit Jacominus über jede Stunde, die seinem Leben eine besondere Wendung gibt. So können wir am Ende mit dem kleinen Hasen sagen: „Es hat sich verdammt gelohnt, dich gelebt zu haben!“
Ein Buch für große und kleine Leser ab einem Alter von ca. 4-5.
Rébecca Dautremer
Das Stundenbuch des Jacominus Gainsborogh
Insel Verlag, Berlin 2019
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Danke für diesen wunderbaren Bilderbuch-Tipp. Weiß auch schon, wem ich das schenken werde.