Von Barbara Hoppe.
Erna Rohdiebl hat in ihrem fast achtzigjährigen Leben so einiges erlebt. In Nincshof geboren, dort erst groß und dann alt geworden, lebt sie inzwischen als Witwe ein ruhiges Leben in dem kleinen Dorf. Umso mehr wurmt es dann natürlich, nicht zur Feier am brandneuen Swimmingpool der Nachbarn eingeladen zu sein. Doch Erna Rohdiebel fackelt nicht lange: Nachts steigt sie heimlich in den Pool und dreht ihre Runden. Das kann nicht lange gutgehen und richtig: Schon bald stehen der Bürgermeister, der junge Valentin und der steinalte Sipp Sepp vor Ernas Tür. Sie, die Einbrecherin, ist wie geschaffen für das höhere Ziel des Trios: Nincshof soll, nein muss, der Vergessenheit anheimfallen. Denn nur das absolute Vergessenwerden bedeutet ultimative Freiheit. Und dafür braucht es den Mut einer Erna Rohdiebel.
Diese findet den Plan zwar reichlich dumm, aber ein wenig Abwechslung in ihren eintönigen Alltag bringt er dennoch. Fortan spinnen die selbst ernannten Oblivisten an ihrem Küchenecktisch bei Speckbroten und Pusztafeigenschnaps wilde Pläne: Nach und nach verschwinden rund um Nincshof Straßenschilder und Wegweiser, Feierlichkeiten finden nicht mehr statt, Fahrradtouristen werden mit stinkenden Barrieren aus Gülle vergrault. Nur eines bereitet den Männern Kopfzerbrechen: Die Neuen aus der Stadt. Isa Bachgasser und Silvano Mezzaroni aus Wien haben sich am Dorfrand niedergelassen. Sie, die berühmte Filmregisseurin und er, Architekt und seit neuestem begeisterter Halter einer Herde von Irrziegen, haben sich in die sanfte Burgenlandschaft verliebt. Eine „Steppenlandschaft, gelb wie die Savanne“ und mitunter so flach wie mit einer Wasserwaage austariert, voll träger Sommerhitze, zwischen Neusiedler See und Einser-Kanal, ganz im Osten von Österreich, nur einen Steinwurf von der ungarischen Grenze entfernt. Und das Ehepaar scheint Großes vorzuhaben. Warum auch sonst sollte Isa Bachgasser in der Geschichte des Dorfes herumwühlen und Silvano Mezzaroni mit seinen Ziegen eine Touristenattraktion aufbauen?
Johanna Sebauer schreibt mit ihrem Debüt „Nincshof“ einen so leichtfüßigen Sommerroman, dass man sich auf der Stelle für alles darin begeistert: für die exzentrischen und dabei so liebevoll gezeichneten Figuren, für die Skurrilität der Geschehnisse, für die Verwunschenheit des Ortes mit seiner kuriosen Vergangenheit und mystischen Legenden, für die heißen Sommer des Burgenlands und vor allem und im Besonderen für den grandiosen schrägen Witz, der aus jedem Satz dieses frisch-frechen Romans spricht. Zurecht ist wurde der Roman im vergangenen Jahr mit dem Debütpreis des Harbour Front Literaturfestivals 2023 ausgezeichnet.
Johanna Sebauer
Nincshof
DuMont Buchverlag, Köln 2023
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A place full of secrets and eccentric inhabitants: ‚Nincshof‘ by Johanna Sebauer
Erna Rohdiebl, a nearly eighty-year-old woman from Nincshof, isn’t invited to the inauguration party of her neighbors‘ new swimming pool. The old lady won’t stand for it: she secretly swims in the pool at night. But soon she’s discovered by villagers who concoct an absurd plan to let their village slip into oblivion. Though Erna deems the group crazy, she joins them to add some excitement to her life. Together, they sabotage village life, but a newly arrived couple, Isa Bachgasser and Silvano Mezzaroni from Vienna, who have big plans for the village, could pose a threat to the noble goal of letting Nincshof fade into obscurity. In her debut novel „Nincshof,“ Johanna Sebauer humorously depicts the quirky characters and events of the village in its idyllic setting.
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