Das neue Album der Flamenco-Spieler Alexander Kilian und Jan Pascal macht Lust auf Vielfalt. Von Barbara Hoppe.
Verbinden ist das Zauberwort. Einflüsse aufnehmen und Neues schaffen. Wer sich puristisch an Formen und Zustände klammert, grenzt aus. Ob in der Gesellschaft, in der Kunst oder in der Musik – wer zulässt, gewinnt. An Erfahrung, an Erleben, an Begegnungen. Er entwickelt die Welt weiter, ist schöpferisch tätig, gestaltet. Alexander Kilian und Jan Pascal wissen das schon lange. Vor über 10 Jahren lernten sie sich kennen und haben seitdem als Café del Mundo gezeigt, dass Flamenco nicht immer aus Andalusien kommen muss. Ihre Inspiration finden sie überall auf der Welt, ihre Arrangements hingegen entstehen in der Nähe von Heidelberg. „Unsere Anregungen kommen von überall: Zum einen natürlich aus der andalusischen Folklore. Aber wir treffen auch immer wieder auf Musiker aus anderen Ländern, vor allem aus den osteuropäischen. Wir sehen, wie sie spielen, erleben ihre Rhythmik, ihre Musikalität und können beobachten, wie sie variieren. Häufig sind es auch Begegnungen aus dem Alltag, aus dem Leben, die uns inspirieren“, erzählten beide schon vor Jahren in einem Gespräch mit dem Feuilletonscout.
Mit „Beloved Europa“ sind die beiden virtuosen Musiker noch einen Schritt weiter gegangen. Nach einer langen Konzertreise quer über den europäischen Kontinent kamen sie mit so vielen neuen Ideen zurück, dass sie fast das Album zu sprengen scheinen. Ob auf der griechischen Flüchtlingsinsel Samos, in Polen mit seinem Tango-Schlager „Ta Ostatnia Niedziela“ oder bei Franz Schubert und seiner Vertonung des „Erlkönigs“ – jede Ecke der Welt, jedes kulturelle Erbe findet Eingang in die Musik der beiden Flamencospieler. Hier merkt man: Die beiden können wirklich was. Jan Pascal hat seine Wurzeln in der klassischen Gitarre, Alexander Kilians Lehrer war der georgische Meister Zaza Miminoshvili. Nie, und das ist die große Kunst der Stücke, schmälern oder verballhornen sie das Original. Café del Mundo zeigt, dass es geht. Man kann bewahren und erneuern gleichzeitig. Kaum schöner nachzuhören als im „Erlkönig“, interpretiert von Hendryk Böhm und flankiert von den tragenden Melismen der spanischen Flamenco-Sängerin Rosario la Tremendita. Kein bisschen büßt das Stück seine Tragik ein, trotz oder gerade wegen seiner Flamencorhythmen, was es eindeutig zum Höhepunkt dieses durch und durch außergewöhnlichen Albums macht. Aber nicht nur länderübergreifend agieren Jan Pascal und Alexander Kilian, auch generationsübergreifend. Mit elektronischen Klängen im „Dance of Joy“ und einem chartverdächtigen Rooftop Remix des Albumtitels „Beloved Europa“ grooven sich die beiden ins Finale der CD und man denkt sich: „Das höre ich mir nochmal an. Und hoffentlich hören es auch ganz viele andere“.
Café del Mundo
Beloved Europa
GLM Music, 2018
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Konzertermine: hier
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