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Emotional: Astor Piazzola trifft auf H.I.F. Biber „Misterio“

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Von Ingobert Waltenberger.

Man nehme zwei geniale Komponisten des 17. und 20. Jahrhunderts, natürlich deren beste Werke und spiele hintereinander abwechselnd ein Stück vom einen und dann vom andern, und das noch dazu auf historischen Instrumenten. Da haben wir Bibers „Rosenkranz-Sonaten“, die biblische Szenen  folgen (Die Verkündigung, Die Heimsuchung, Die Kreuztragung, Marias Himmelfahrt) und dazu Piazzolas Tangos mit Ursprung in der argentinischen Straßenmusik. Tanzmusik wie „Café“, „Oblivion“, „Fuga y Misterio“, oder „La Muerte del Ángel“ versus christlich barocke Sonaten. Passt das? Eindeutig ja, auch die gemeinsame Instrumentierung trägt dazu bei, eine atmosphärische Klammer darzustellen.

Julia Schröder, Leiterin des Kammerorchesters Basel, und die Lautten Compagney Berlin haben sowohl die hochvirtuosen Biberschen Inventionen für Violine und Basso continuo im Blut wie auch die erstaunlich ernsthaften, zumindest aber ebenso sinnlichen Tango Nuevos von Astor Piazzola, die die körperliche Anziehung zwischen Mann und Frau in großer formaler und spiritueller Strenge ritualisieren.

© dhm

Mit von der Partie sind noch die herausragenden Musiker Mara Miribung (Barockcello), Wolfgang Katschner (Laute) und Gerd Amelung (Cembalo, Orgel). Letzterer erklärt, beide Komponisten setzen voraus, dass die Interpreten nicht lediglich die aufgeschriebenen Noten wiedergeben, sondern die Musik durch Improvisation bereichern und erweitern. Da geht es dann emotional so richtig zur Sache. Im vorliegenden Programm, das auf Einladung des Boswiler Sommers entwickelt wurde,  dienen Piazzolas Tangos programmatisch als Meditation und Kommentar zur Musik Bibers.

Julia Schröder spricht von neuen Klangs- und Gefühlswelten. Den roten Faden der CD bildet der Begriff „Vereinigung“. „Der Tango, das Tanzen zweier Menschen miteinander, die sich umschlingen, hat sehr viel mit Sehnsucht zu tun. Auch in der Barockmusik versucht der Mensch, so nahe wie möglich an Gott zu kommen.“ Und: Mit Barock-Streichinstrumenten gibt es mehr Ausdrucksmöglichkeiten im tiefen, dunklen Klangspektrum.

Die vier Solisten sind mit hoher individueller Tongebung improvisatorisch ganz in ihrem Element, voller barocker Spielfreude, rhythmischer Kraft und dem Geheimnis des Tangos auf ihrer ganz eigenen Spur. Das Album Misterio ist nicht zuletzt ein Manifest an exquisiter klanglicher Schönheit und stilistischer Finesse. Die Tonqualität der schon im Oktober 2015 im Funkhaus Nalepastraße in Berlin aufgenommenen Musik genügt hohen audiophilen Ansprüchen.

 

 

Julia Schröder
Lautten Compagney
Misterio: Biber & Piazzolla
deutsche harmonía mundi 2018
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