Von Carsten Schmidt.
Kein Werk ist es, keine einzelne Linie oder klare Form. Auch die Textart ist nicht einheitlich. Die österreichische Autorin Michaela Debastiani hat sich in der Vergangenheit unter dem Namen M. Hundsberger einen Namen als Drehbuch- und Reportage-Autorin sowie Fachfrau für Kommunikation gemacht und legt nun mit ihrem Debüt „Frauenherz“ nicht ein Prosastück, sondern gleich eine ganze Werkschau vor.
Um das vielleicht festhaltbare Überthema emotionale Selbstbestimmung herum zeigt die Autorin, eingerahmt von recht tiefgreifenden Malereien der Künstler Dim Sampaio und Pascal Olders, was sie im Bereich Lyrik kann. Des Weiteren gibt es den Ansatz eines Dramas zu erhaschen sowie Prosaskizzen, die sich erzählerisch sehr nah am Theater und szenisch-klarem Schreiben orientieren. Im ebenfalls eingearbeiteten Romanauszug „Horseback“ erfahren wir bereits, welche Thematik in der Autorinenfeder gerade ihre Form findet.
Unter dem Abschnitt „Menschenliebe – Der Geist der Antigone“ findet sich ein sehr interessanter, nahezu essayistischer Vergleich zwischen dem Blockieren eines vielleicht nervigen Menschen auf sozialen Plattformen und der seelischen Verkümmerung, die derjenige hierbei erleiden kann und der verschlossenen kommunikativen Tür, welche dem Menschen keine Chance mehr zur Rechtfertigung oder Erklärung lässt. Die Autorin sinniert darüber, dass uns heutzutage diese bequeme Möglichkeit gegeben ist und kritisiert, dass sie uns gleichsam sozial verarmen lässt, weil wir gar nicht mehr üben müssen, miteinander zurecht zu kommen.
Wie man menschliche Nähe jedoch nicht nur gesund nutzt, sondern ihre ungesunden, toxischen Entwicklungen zeichnet, wird im Romanauszug von „Horseback“ deutlich. Dort – in der Beschreibung von Macht und Demütigung zwischen Pferd und Trainer, zwischen Gehorsam und Unterwerfung, Aufgabe und Resignation, operiert Debastiani sehr fein und synästhetisch ergreifend:
„Zwei stiegen in den Ring, auf dem Longierplatz, dort wo kurz zuvor noch jede Anspannung dem Trainingserfolg gegolten hatte und der Schweiß etwas von abgeklärter Genugtuung in sich trug.“
Alleine an diesem Satz sieht man die Erfahrung und das Gespür, das Michaela Debastiani mitbringt, um von ihrem Können demnächst hoffentlich mehr zu zeigen. Im Ganzen ist „Frauenherz“ ein relativ wilder Ritt durch Textformen und Genres, wenngleich die emotionale Angreifbarkeit, das Ausgeliefertsein und der Kampf um ihre Selbstbestimmung eine gut greifbare Klammer setzt. Es ist eine Melange, die sich ganz sicher 95 % der Verlage nicht getraut hätten, in der Form zu drucken. Der edition outbird ist es zu danken, dass sie diesen ersten Wurf der begabten Autorin als Ausrufezeichen herausgebracht hat – und es hilft uns, unsere Neugier auf Weiteres von Michaela Debastiani aufrecht zu erhalten.
Michaela Debastiani
Frauenherz
edition outbird, Gera 2019
Buch kaufen oder nur hineinlesen
Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.