Nach ihrem Krimidebüt „Krokodilwächter“ legt die dänische Autorin einen Zahn zu. Von Barbara Hoppe.
Kopenhagen erstarrt in Eiseskälte an diesen letzten Januartagen. Kriminalassistent Jeppe Kørner hat gerade einen Australienurlaub hinter sich, ein bisschen Bräune ist ihm geblieben. Doch die kaputte Heizung im Polizeipräsidium lässt auch das letzte Urlaubsgefühl verfliegen. Zudem bereitet ihm die Gesundheit seiner Partnerin Annette Werner Sorgen. Die sonst so sportliche und kerngesunde Frau scheint überhaupt nicht fit zu sein.
Zu allem Überfluss landet auf dem Tisch der Polizisten ein übler Mordfall. Kurz vor einer spektakulären Mondfinsternis, dem Blutmond, stirbt der bekannte Modedesigner Alpha Bartholdy auf qualvolle Weise während der Copenhagen Fashion Week. Bei den Ermittlungen stoßen Jeppe Kørner und Annette Werner auf ein Geflecht aus Liebschaften und Geschäftsbeziehungen. Wer wollte sich hier an wem rächen? Und warum? Geht es um Eifersucht oder finanziellen Betrug? Die Erholung von Jeppe Kørner schwindet gänzlich, als er erkennen muss, dass sein bester Freund in dem Mordfall scheinbar eine Rolle spielt und verschwindet.
Das Schöne an dem zweiten Band der Krimireihe von Katrine Engberg um ihre Polizisten Jeppe Kørner und Annette Werner ist, dass die Autorin ihre Figuren weiterentwickelt hat. Waren sie in „Krokodilwächter“ noch „erfrischend normal“ (Feuilletonscout v. 28.3.2018 ), so sind sie es im zweiten Band zwar immer noch, aber doch mit einem kleinen bisschen Mehr an Eigenart, Attraktivität und Actionreichtum. Jeppe Kørner hat sich aus seinem Nachscheidungstief herausgearbeitet, Annette Koerner lernt neue Seiten an sich kennen, und der Rest der Mannschaft darf ebenfalls tatkräftiger sein und mit mehr Profil als noch im ersten Band auftreten. Wer Krimiromane liebt, die in der Zeit stehen bleiben mag dies bedauern. Für eine Reihe, die es schafft, sich von düsteren Skandinavienkrimis ebenso abzuheben wie von verklärter Skandinavienromantik à la „Mord in Mittsommer“ ist diese Entwicklung ein Gewinn. Wie immer präsentiert uns die Autorin eine Vielzahl an Fährten, von denen jede zu einem Mordmotiv führt. Doch hier sind wir wieder bei „erfrischend normal“: Auch ein Polizist braucht manchmal einen Schubs von außen, um auf die richtige Spur zu kommen.
Katrine Engberg wandelt mit „Blutmond“ gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen einem soliden Polizeiroman und packendem Krimi mit Protagonisten, die einem ans Herz wachsen. Es bleibt auf jeden Fall spannend – auch wie es mit der Krimireihe weitergeht.
Leseprobe Katrine Engberg_Blutmond
Katrine Engberg
Blutmond
Diogenes Verlag, Zürich 2019
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