Seit dieser Saison ist Christian Spuck Intendant des Staatsballetts Berlin. „Das ist schon eine Umstellung“, lacht er. „Allein durch die Größe der Institution ist es gar nicht immer so leicht, zu allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Nähe zu halten und meine Wertschätzung auszudrücken.“ Aber er erlebe jeden Tag, wie das Vertraue wachse und eine große Selbstverantwortung entstehe. „Es macht einfach Spaß, hier zu arbeiten“, betont der Intendant. Es sei eine große Aufbruchstimmung spürbar, die von allen mit viel Freude mitgetragen werde. Und das hat auch sicherlich mit dem zu tun, was Christian Spuck im Gepäck hatte, als er im Sommer seinen neuen Posten antrat.
Denn als vor zwei Jahren feststand, dass er nach Berlin kommen wird, griff Christian Spuck sofort zum Telefon, um die israelische Choreographin Sharon Eyal für eine Neuproduktion in die Hauptstadt zu locken. Die Künstlerin hatte bereits mit ihren Tanzstücken „Half Life“ und „STRONG“ das Berliner Publikum begeistert. Mit „2 Chapters Love“, einer Erweiterung ihres Tanzstücks „Love Chapter 2“ von 2017, dürfen sich die Zuschauer erneut auf ein intensives Tanzerlebnis freuen.
„Sharon ist wirklich eine großartige Künstlerin und ich freue mich sehr, dass wir den Kontakt zu ihr aufrecht erhalten konnten“, freut sich Christian Spuck. Ebenso wie Sol Léon, die mit „Stars like Moths“ das zweite Stück des Tanzabends choreographiert hat – erstmals allein, ohne ihren langjährigen Choreographiepartner Paul Lightfood – schöpft die israelische Choreographin bei der Entstehung ihrer Werke aus persönlichen Erlebniswelten. Oft kennen nur die Tänzer oder der Dramaturg die Geschichte dahinter. „Ein Choreograph gibt bei der Arbeit mit dem Ensemble sehr viel von sich preis. Dabei geht es auch um Verletzbarkeit und natürlich auch um Vertrauen. Solche Probenarbeiten sind sehr sensible Vorgänge“, gibt Christian Spuck einen Blick hinter die Kulissen frei. Für die Zuschauer bleibt dies oft unsichtbar. Stattdessen erlebt das Publikum poetische, packende Bilder auf der Bühne, die sich von der persönlichen Geschichte befreit haben. „Ein Handlungsballett dürfen die Zuschauer nicht erwarten“, erklärt Christian Spuck, „ das sind zwei abstrakte Werke.“ Werke, die nicht nur physisch für die Tänzer extrem anstrengend sind, sondern durch die ständige Präsenz auf der Bühne auch mentale Höchstleistungen erfordern.
Wie bereits in der Vergangenheit wird Sharon Eyal auch bei „2 Chapters Love“ mit dem israelischen Musiker und DJ Ori Lichtik zusammenarbeiten. „Die beiden sind sich sehr nah und Musik und Choreographie greifen ineinander“, beschreibt Christian Spuck die langjährige Zusammenarbeit der beiden Künstler. Sowohl Eyal als auch Lichtik haben ihre Gemeinsamkeiten im Minimalismus, der eine musikalisch, die andere tänzerisch. Dies zusammengenommen ergibt eine ungeheure Sogkraft. Was sich auch in den Verkaufszahlen zeigt, weiß Christian Spuck zu berichten. Die ersten Vorstellungen sind bereits ausverkauft.
Heißt das nun, dass es am Staatsballett zukünftig mehr zeitgenössischen Tanz geben wird? Nein, beruhigt Christian Spuck. In dieser Spielzeit stünden weiterhin auch die Erfolgsproduktionen „Dornröschen“ von Marcia Haydée und „Giselle“ von Patrice Bart auf dem Programm. Zudem werde es erstmals einen reinen William Forsythe – Abend geben, an dem drei Stücke aus verschiedenen Schaffensperioden des großen Erneuerers des klassischen Balletts gezeigt werden. „ Wir sind und bleiben eine Ballettkompanie. Wir wollen die klassischen Werke hochhalten, wollen sie neu reflektieren und neu betrachten. Mein Wunsch ist es, eine kreierende Kompanie und eine suchende Kompanie zu sein, zu schauen, was Ballett alles sein kann, ohne die Wurzeln zu vergessen“, erläutert Christian Spuck seine Vorstellungen.
Vor diesem Hintergrund gibt es genug Gründe, sich auf die Jubiläumsgala am 7. Juli 2024 zu freuen. Highlights aus dem Repertoire der Kompagnie erwarten dann die Ballettfans. Wenn 20 Jahre Staatsballett Berlin, rund 2000 Vorstellungen und 72 Premieren gefeiert werden, dürfen die Tänzer ihr ganzes Können zeigen. Maria Seletskaja, einst selbst Solotänzerin im Ensemble und heute gefragte Dirigentin, wird die musikalische Leitung des Orchesters der Deutschen Oper Berlin übernehmen, Christian Spuck moderiert den Abend. Es werde ein Fest des Tanzes sein, verspricht er, bunt und aufregend, vielleicht auch manchmal irritierend. „Aber“, so der Intendant des Staatsballetts, „auf jeden Fall wird es sehr, sehr festlich werden.“
Sharon Eyal „2 Chapters Love“ / Sol Léon „Stars like Moths“
Tickets hier
Jubiläumsgala „20 Jahre Staatsballett“ am 7. Juli 2024
Der Text erschien ebenfalls in der Kulturbeilage “Kulturzeit” der Berliner Morgenpost im November 2023.
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Classical Ballet and Contemporary Dance: The Diversity of the Staatsballett Unter den Linden
Christian Spuck, the artistic director of the Staatsballett Berlin since this season, faces the challenges of a large institution. The size makes it difficult to maintain personal closeness with all employees, yet trust is growing daily, accompanied by a noticeable sense of renewal. This is also the result of Spuck’s initiative to attract the renowned Israeli choreographer Sharon Eyal for a new production. Her work, „2 Chapters Love,“ expands upon the already successful „Love Chapter 2.“ Spuck praises Eyal’s artistic genius and looks forward to the continuation of their collaboration with the Israeli musician and DJ Ori Lichtik.
The dance evening also features „Stars like Moths“ by Sol Léon, choreographed for the first time without her longtime partner Paul Lightfoot. The creation of such works is influenced by personal experiences, with the choreographer revealing much about themselves, where trust and vulnerability play a role.
The upcoming season at the Staatsballett Berlin promises a blend of contemporary and classical dance. Success productions such as „Sleeping Beauty“ and „Giselle“ are on the program, along with an evening showcasing works by the innovator of classical ballet, William Forsythe. Spuck emphasizes the importance of preserving and reflecting on classical works while aspiring to be a creative and exploratory company.
The anniversary gala on July 7, 2024, marks 20 years of the Staatsballett Berlin, featuring over 2000 performances and 72 premieres. An impressive presentation from the company’s repertoire, conducted by Maria Seletskaja, promises to be a festive dance spectacle under Spuck’s moderation.