Kolumne von Susanne Falk.
Der ganze letzte Sommer war pink, dank Barbie. Soviel Pink war nicht mehr um mich herum, seit ich als kleines Mädchen in die Puppensammlung meiner Freundin G. gestürzt bin. Doch jetzt wechselt alles auf Hellrosa, durchsetzt von Mintgrün und gelegentlichem Gothicschwarz. Meine Buchwelt steht nicht mehr. Die ist zu #BookTok umgezogen – einem gruseligen, rosafarbenen Universum.
Vielleicht ist es eine Altersfrage. Obwohl die Queen aller BookTokerinnen ja eigentlich haargenau in meinem Alter ist: Colleen Hoover und mich trennen bloß drei Jahre und trotzdem liegt zwischen uns eine ganze Welt. Ihre Leserinnen sind nahezu ausschließlich weiblich und zwischen 14 und 30 Jahre alt und sie ergeben sich voller Enthusiasmus dem rosafarbenen Mädchenalptraum für Young Adult, New Adult oder alle anderen, die gerne „Adult“ wären, aber noch nicht so ganz im Erwachsenenleben angekommen sind.
#BookTok ist kein neues Phänomen, das erkennt man auch als Nicht-Tokerin daran, dass es dazu bereits seit längerem Büchertische bei Thalia und Hugendubel gibt. Neu ist aber, dass dieser Trend so gar nicht zu verschwinden scheint. #BookTok hat sich am Buchmarkt festgesetzt und macht Millionenumsätze, bekommt eigene Bestellerlisten und in den Verlagen eigene Programmsparten. Man verwechsle also auf keinen Fall die vielen pastelligen Buchcover mit solchen vorübergehenden Trends wie Fidget Spinnern oder Pop-it-Toys, auch wenn sie ähnlich nervig sind.
BookTok-Bücher begeistern ihre Leserinnenschaft in einem Ausmaß, das einem Popphänomen gleichkommt. Sie werden auch ähnlich konsumiert, nach dem Motto: „Großartig, empfehlenswert, das nächste bitte!“ Sie sind die Kurzwaren der Unterhaltungsliteratur, den Groschenromanen von früher gar nicht so unähnlich, wenn auch deutlich dicker und handwerklich oft besser gemacht. Sie befriedigen eine Sehnsucht nach Romantik, dass es einem die Zehennägel aufrollt, so weh tut dieses Kreisen um Männer, die eigentlich keine sind, weil sie es nur in die unreife Kategorie der „Bad Boys“ schaffen. Am Ende emanzipiert sich (im besten Fall) der weibliche Hauptcharakter mit Namen Lily, Hope oder Tate dann doch von dem Mann, der ihr nicht guttut, aber die Romantik stirbt zuletzt, lange, lange nachdem der Diskurs zum Thema Chancengleichheit der Geschlechter gestorben ist. Es befreien sich hier zwar junge Frauen „mutig“ (das Wort gehört in jede #BookTok-Rezension) aus toxischen Beziehungen aller Art, aber das System wird deshalb noch lange nicht in Frage gestellt. Wir sind hier zwar unheimlich emanzipiert, wollen dann aber doch bitte, bitte ganz dringend den Antrag auf Knien mit Ring und anschließender Prinzessinnenhochzeit mit puffigem, weißen Kleid zelebrieren dürfen.
Ja, geht’s noch Mädels? Romantik hin oder her, wer heiraten will, fragt selber. Da warten wir im 21. Jahrhundert nicht auf „seinen“ Antrag, nicht im echten Leben und auch nicht im Roman, sondern nehmen das ganz selbständig in die Hand. Und wer mutige, selbstbestimmte Frauen als Vorbilder braucht, der bewege sich vielleicht weniger in der rosaroten #BookTok-Welt, sondern schaue mal nach hinten (Mütter, Großmütter, Tanten), vorne (Töchter, Nichten), rechts (Freundinnen) und links (Schwestern). Da stehen genügend Vorbilder herum, die es so auch in die Literatur geschafft haben (etwa von Trude Teige, Marjane Satrapi oder Elena Ferrante, um mal anspruchsvollere Unterhaltung aufzuzählen). Also, husch, raus aus der rosa Kaugummiblase und ab in den Buchladen. Da gibt es nämlich weit mehr zu entdecken als die nach Schema F gearbeiteten Adult-Serien. Man möchte fast hinterherrufen: Und werdet mal erwachsen.
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My Books! „Hell is Pink“. Column by Susanne Falk.
The entire last summer was pink, thanks to Barbie. There hasn’t been this much pink around me since I dove into my friend G.’s doll collection as a little girl. But now everything is shifting to light pink, sprinkled with mint green and occasional gothic black. My book world is no longer the same. It has moved to #BookTok – a creepy, pink universe.
Perhaps it’s an age thing. Although the queen of all BookTokers is actually exactly my age: Colleen Hoover and I are only three years apart, yet there’s a whole world between us. Her readers are almost exclusively female, between 14 and 30 years old, and they eagerly embrace the pink nightmare for Young Adult, New Adult, or anyone else who would like to be „Adult“ but hasn’t quite reached adulthood yet.
#BookTok is not a new phenomenon, as you can tell even if you’re not a Toker, because book tables have been dedicated to it at Thalia and Hugendubel for some time now. What’s new, however, is that this trend doesn’t seem to be fading away. #BookTok has firmly established itself in the book market, generating millions in revenue, creating its own bestseller lists, and carving out its own sections in publishing houses. So, don’t mistake the plethora of pastel book covers for passing fads like fidget spinners or pop-it toys, even though they might be similarly annoying.
BookTok books captivate their readership to a degree reminiscent of a pop phenomenon. They’re consumed in a similar manner, following the motto: „Great, recommendable, what’s next?!“ They are the fast food of entertainment literature, not unlike the penny novels of yesteryears, albeit thicker and often crafted with more skill. They satisfy a longing for romance that curls your toenails because of the agony of circling around men who aren’t really men, only making it into the immature category of „bad boys.“ In the end, the female protagonist, named Lily, Hope, or Tate, emancipates herself (ideally) from the man who isn’t good for her, but romance dies last, long after the discourse on gender equality has perished. While young women may „bravely“ (a word that belongs in every #BookTok review) free themselves from toxic relationships of all kinds, the system is far from being questioned. We may be incredibly emancipated here, but we still desperately want to celebrate the proposal on bended knee followed by a princess wedding with a puffy white dress.
Seriously, girls? Romance aside, if you want to get married, ask yourself. In the 21st century, we don’t wait for „his“ proposal, not in real life, and not in novels either; we take matters into our own hands. And for those in need of courageous, self-determined women as role models, perhaps they should venture less into the rosy #BookTok world and look back (mothers, grandmothers, aunts), forward (daughters, nieces), right (friends), and left (sisters). There are plenty of role models around who have also made it into literature (such as written by Trude Teige, Marjane Satrapi, or Elena Ferrante, to name a few examples of more sophisticated entertainment). So, hurry, get out of the pink bubble gum world and into the bookstore. Because there’s much more to discover than the unoriginal adult series. You might almost want to shout after them: And grow up already.
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