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Meine Bücher! „Die Poesie der Mathematik“

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Kolumne von Susanne Falk.

„Sarah und Peter haben dreizehn Äpfel. Sie wollen diese gerecht untereinander aufteilen. Bilde zwei gleich große Mengen und errechne die Restmenge. Wieviel müssen Paul und Sarah jeweils bezahlen, wenn ein Apfel 85 Cent kostet?“

Wer zum Teufel ist Paul? Was hat er mit Peter gemacht? Und wer zahlt jetzt den dreizehnten Apfel?

Willkommen in meiner Welt. In der geistern merkwürdige Gestalten wie Sarah, Paul und Peter seit mittlerweile zehn Jahren herum, nämlich so lange, wie ich schon Schulkinder habe, die sich genau die gleichen Fragen stellen wie ich: Warum haben Sarah, Paul und Peter eigentlich ständig irgendwelche Rechenprobleme? Können die nicht auch mal etwas anderes im Leben machen? Warum essen die ständig Äpfel? Und was ist das eigentlich für ein merkwürdiges Dreiecksverhältnis zwischen Sarah und diesen zwei Männern?

Mathematiker können großartig rechnen, aber von Texten haben sie oft keinen blassen Schimmer. Darum sind Textaufgaben auch so schrecklich schwer zu lösen. Die oben angeführte Rechnung ist übrigens echt – die sollte das große Kind einmal als Hausaufgabe lösen und kam verzweifelt zu mir, weil er nicht verstand, woher denn nun wieder dieser Paul kam. Was hatte der denn jetzt mit den Äpfeln zu tun? Auf dezente Nachfrage bei der Lehrerin hieß es, ach, das kannst du dir doch denken, dass damit Peter gemeint war. Hat man sich halt verschrieben, falscher Name, nicht so wichtig. Mach es nicht unnötig kompliziert, Kind, rechne einfach! Das war der Tag, an dem mein Kind, ebenfalls schwer textlastig begabt, genau wie seine Eltern, den Respekt vor der Mathematik verlor. Wenn es egal war, ob Peter oder Paul die beschissenen Äpfel bezahlte, dann war es doch auch egal, ob man plus oder minus rechnete, ob man durch eins oder zwei teilte usw.

Manchmal stiften Textaufgaben jedoch nicht nur Verwirrung, sondern lösen handfeste politische Debatten aus: „Markiere alle Zahlen auf dem Zahlenstrahl in roter Farbe und diskriminiere jeweils die Eins.“ Auch so ein echtes Beispiel aus einem Mathebuch, 1. Klasse Volksschule. Da denkt man, den Kindern wird beigebracht, dass man alle Menschen gleich behandeln soll und dann lernen die Diskriminierung in der Schule???

Wenn Sie auch nur ein wenig fantasiebegabt sind, dann geht es Ihnen vermutlich genauso wie mir: Statt die Aufgabe zu rechnen, müssen Sie erst einmal in Gedanken ein Gespräch mit Sarah, Peter und Paul über ihren aktuellen Beziehungsstatus und ihre Ernährungsgewohnheiten führen. Und die Eins ganz doll in den Arm nehmen, weil sie so fiese diskriminiert wurde!

Aber zuweilen findet man auch Poesie in der Mathematik. Dann nämlich, wenn am anderen Ende der Rechenprobe so ein Träumerle sitzt wie man selbst, nur eben eines das rechnen kann: „Wenn in jeder Vollmondnacht in Claras Garten fünfundzwanzig neue Blumen aufblühen und in Murads Garten siebzehn, wie viele Blumen sind es nach drei Monaten?“ Ach, Clara und Murad, wie gerne würden wir mit euch in der dritten Vollmondnacht durch eure Gärten spazieren und eure 126 Blumen bestaunen! Aber welche Blume blüht schon drei Monate am Stück? Sind die ersten nicht schon längst verblüht, wenn die dritte Vollmondnacht anbricht? Und wird Clara darüber nicht traurig sein? Tröstet Murad sie dann oder braucht der selbst Trost, weil bei ihm im Garten weniger Blüten blühen als bei Clara? Und wie viele weniger sind das eigentlich? Oder war das hier nicht die Frage?


My books! The Poetry of Mathematics . Column by Susanne Falk

„Sarah and Peter have thirteen apples. They want to divide them fairly between each other. Form two equal-sized sets and calculate the remainder. How much do Paul and Sarah each have to pay if an apple costs 85 cents?“

Who the hell is Paul? What did he do with Peter? And who is paying for the thirteenth apple now?

Welcome to my world. Where strange figures like Sarah, Paul and Peter have been haunting me for ten years now, as long as I have had schoolchildren who ask the same questions: Why do Sarah, Paul and Peter constantly have some arithmetic problems? Can’t they do something else in life for once? Why do they keep eating apples all the time? And what is this strange love triangle between Sarah and these two men?

Mathematicians can calculate magnificently, but often they have no clue about texts. That’s why word problems are so terribly difficult to solve. The calculation mentioned above is real, by the way – my eldest child had to solve it as homework once and came to me in despair because he didn’t understand where this Paul came from again. What did he have to do with the apples now? Upon discreet inquiry with the teacher, it was like, oh, you can just imagine that it meant Peter. They just made a mistake, wrong name, not so important. Don’t make it unnecessarily complicated, child, just calculate! That was the day when my child, also gifted in textual matters, like his parents, lost all respect for mathematics. If it didn’t matter whether Peter or Paul paid for the damn apples, then it didn’t matter whether you added or subtracted, whether you divided by one or two, and so on.

Sometimes word problems not only cause confusion but also trigger heated political debates: „Mark all numbers on the number line in red and discriminate the number one.“ Another real example from a math book, 1st grade elementary school. One thinks children are being taught to treat everyone equally, and then they learn discrimination at school???

If you have even a little imagination, then you probably feel the same way as I do: Instead of solving the problem, you have to first have a mental conversation with Sarah, Peter and Paul about their current relationship status and eating habits. And give a big hug to the number one because it was so unfairly discriminated against!

But sometimes you can also find poetry in mathematics. That’s when there’s a dreamer at the other end of the calculation like oneself, just one who can do math: „If twenty-five new flowers bloom in Clara’s garden every full moon night and seventeen in Murad’s garden, how many flowers are there after three months?“ Oh, Clara and Murad, how we would love to walk through your gardens in the third full moon night and admire your 126 flowers! But which flower blooms for three months straight? Aren’t the first ones already wilted by the time the third full moon night arrives? And won’t Clara be sad about that? Will Murad comfort her, or does he need comfort himself because there are fewer blossoms in his garden than Clara’s? And how many fewer are there, actually? Or wasn’t that the question here?

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