Kolumne von Susanne Falk.
Eigentlich sind die Kinder ja nun wirklich alt genug und könnten selbst zum Buch greifen. Aber wie das so ist – Handy und PC scheinen immer schneller zur Hand zu sein als ein gutes Buch. Damit beim Nachwuchs die Literatur nicht gar so abstinkt gegen Netflix und Konsorten, lesen wir also immer noch vor. Ob das klug ist?
Hilf mir, es selbst zu tun. Dieses Montessori-Motto hat uns als Eltern eine ganze Weile lang begleitet, von der Körperhygiene übers selbständige Essen bis hin zu den Hausübungen. Doch ausgerechnet beim Lesen haben wir’s irgendwie verbockt. Dabei haben wir ihnen immer gern und viel vorgelesen, vom Herrn der Ringe (gesamt!) bis hin zu dicken Harry-Potter-Bänden. Aber aus irgendeinem Grund haben wir nie damit aufgehört. Die Aufforderung „Lies doch mal selber!“ verhallte nämlich ungehört im Kinderzimmer.
Gut, dass Teenagerkind lässt sich nur mehr selten von den Eltern zutexten, aber das kleine Kind durchaus, aktuell mittels Cornelia Funkes „Drachenreiter“, Teil 1. War ein Geschenk der Patenkusine und kommt bestens an, bei Mutter wie Kind. Und natürlich ist es auch gemütlich, wenn man so kuschelig zusammensitzt, Kekse futtert und liest… Aber selbstständig zu lesen wäre halt auch nicht schlecht für den Nachwuchs, aus diversen Gründen.
Die Konkurrenz ist heute einfach viel größer, als sie es zu meiner Kinderzeit je war. Drei Programme und ein Radio machten da den Kohl nicht fett. Die Alternativen hießen Sportschau oder Buch, da fiel die Wahl leicht. (Ich war noch nie Sportfan, weder passiv noch aktiv.) Aber heute? Handyspiele, PC-Spiele, Netflix, Amazon Prime, nicht zu vergessen YouTube: Man kann sich digital schon ziemlich weit in andere Welten versenken. Da braucht es Bücher nicht mehr so oft und ausgiebig wie früher. Doch will man das?
Zugegeben, das kleine Kind und ich hängen mit großer Hingabe auch gemeinsam vor dem Laptop ab und schauen unsere Lieblingsserie zum 100. Mal nacheinander, denn „Brooklyn 99“ ist auch beim x-Mal schauen noch lustig. Zum Einschlafen darf es dann aber ein Kapitel der „Drachenreiter“ sein. Literatur findet also immer statt, aber sie schafft es nur ins Nachtprogramm. Da ist sie in guter Gesellschaft, schließlich tummeln sich auch alle Literatursendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen dort des nachts herum. Doch wie bekomme ich sie ins Hauptabendprogramm? Oder muss ich mich damit abfinden, dass die Zukunft der Literatur im Nischenprogramm steckt?
Die Welt meiner Kinder ist eine andere als die Welt meiner Kinderzeit. Nicht besser, vielleicht auch nicht schlechter, aber zweifellos anders. Wertigkeiten haben sich geändert, Unterhaltung hat sich geändert und die Möglichkeiten sowieso. Zwischen mir und den Meinen liegt mal eben eine digitale Revolution. Die kann sich ja nicht in Nichts auflösen. Also bleiben wir dran, am Ohr der Kinder und lesen und lesen und lesen… Immerhin ist der Weg vom Ohr zum Herzen immer noch derselbe.
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