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Meine Bücher! „Ein Platz in der Hölle“

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frau mit büchern

Kolumne von Susanne Falk.

Heinrich Heine hat eine Menge kluger Dinge über Bücher und ihre Leser gesagt. Mein Lieblingssatz ist dieser: „Die deutschen Censoren ———— Dummköpfe_.“ In diesem Fall sind es keine deutschen, sondern amerikanische Zensoren/ Dummköpfe. Allerdings ist deren Dummheit hier noch das geringste Problem. Hinter den jüngsten Auseinandersetzungen um sogenannte „book bans“, also der Verbannung von Büchern aus Schulbibliotheken, steht nämlich etwas gänzlich anderes, sehr viel Böseres.

Irgendjemandem passt immer irgendetwas nicht. Das ist normal. Man kann ja nicht alles immer allen recht machen. Doch zwischen Missfallen und Zensur ist ein himmelweiter Unterschied. Kritik muss jeder Autor, jede Autorin aushalten können, selbst dann, wenn diese nicht gerechtfertigt erscheint. Zensur dagegen steht auf einem gänzlich anderen Blatt. In seltenen Fällen wird gebannt, was Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr aushalten können oder sollen. Da geht es meist um stark verstörende Inhalte bzw. Hetzpropaganda oder um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Zensur erfolgt immer und ausschließlich von staatlicher Seite aus, denn: Zensur durch Dritte ist in Deutschland, genauso wie in den USA, verboten. Es gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Seit neuestem mehren sich aber in der Berichterstattung die Fälle, bei denen „besorgte“ US-amerikanische Eltern, oftmals unterstützt durch rechtskonservative Interessensvertreter, sich darüber beschweren, was man ihren Kindern literarisch so „zumutet“. Von Schimpfwörtern, über antireligiöse Inhalte oder Genderfragen, bis hin zu Analsexszenen ist da so ziemlich alles dabei, was das konservative Weltbild stört. Also wird in Komitees darauf hingewiesen und gefordert, diese Bücher mögen bitte aus den Schulbibliotheken entfernt werden. Das löste nicht nur Proteste von Schülerinnen und Schülern aus, sondern auch eine landesweite Debatte über Zensur. Aus den Bibliotheken verbannt würden nämlich vorwiegend solche Werke, die entweder von afroamerikanischen Autorinnen und Autoren stammten, für sexuelle Gleichberechtigung eintraten oder Minderheiten und ihre Verfolgung thematisierten. Prominentestes Beispiel war die Graphic Novel „Maus“ von Art Spiegelman, die auf eindringliche Art und Weise den Holocaust thematisiert und seit Jahrzehnten im Schulunterricht zu diesem Zweck eingesetzt wird. Die Darstellung nackter, toter Körper sowie die Thematisierung von Suizid und die Verwendung von Schimpfwörtern sei zuviel für Kinderseelen. Dass dies nicht der wahre Grund für die Verbannung des Buches aus einigen amerikanischen Schulbibliotheken ist, erklärt sich nicht zuletzt durch die anschließende Debatte um die reichlich befremdlichen Äußerungen Whoopi Goldbergs zum Thema Rassismus: Die Wissenslücken über den Holocaust sind offensichtlich weit größer, als zu befürchten war und würden, ginge es nach dem Willen der Rechtskonservativen im Land, auch stetig anwachsen.

Aussagen wie die des zuständigen Komitees in Tennessee zum vermeintlichen Kindeswohl sind klar als ein Wunsch nach Zensur zu werten. Das ist in mehrfacher Hinsicht problematisch: Erstens widerspricht es dem Gesetz, zweitens betrifft der „book ban“ hauptsächlich konservative Gemeinden, deren Mitglieder damit den Wunsch verfolgen, ein ihnen fremdes Weltbild zu negieren und drittens wird die Auswahl der Bücher, die man für potentiell gefährlich hält, von Menschen getroffen, deren Bildungshintergrund nicht über den einer Erdnuss hinausreicht. Überspitzt gesagt: Dumme, rassistische Menschen wollen gerne, dass ihre Kinder auch dumm und rassistisch werden.

Anlass zur Hoffnung geben die betroffenen Schülerinnen und Schüler selbst, die in Protestaktionen darauf hinwiesen, dass sie sich zu Genderfragen, Rassismus, Antisemitismus und Sexualität ganz gerne selbst ein Bild machen würden. Man lasse sich schlicht nicht verbieten, sich zu bilden. Entsprechend schaffte es „Maus“ erneut auf die Bestsellerlisten. Wer seinen Kindern also einen anständigen Aufklärungs-, Sozialkunde- oder Geschichtsunterricht verweigert, der darf gerne schon mal im Lager der politisch und religiös motivierten Zensoren anheuern. In deren Hölle ist bestimmt noch ein Platz frei.

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