Kolumne von Susanne Falk.
Ich hatte glatt vergessen, wie witzig sie sein konnte. Virginia Woolf hatte wirklich enorm viel Humor. Der blitzt auch in ihrem großartigen Werk „A Room of One’s Own“ an allen Ecken und Enden durch. Wobei mir bei der Lektüre mehr als einmal zum Heulen ist. Hat sich in den letzten 93 Jahren eigentlich irgendetwas zum Besseren verändert?
Ich werde natürlich nicht aus irgendwelchen Bibliotheken geschmissen, nur weil ich eine Frau bin und ich ignoriere auch mit Hingabe „Betreten verboten“-Schilder, ohne dass mich wer vom Universitätsrasen stumpert. Aber beim neuerlichen Lesen von Virginia Woolfs Äußerungen zu schreibenden Frauen kamen mir doch große Zweifel, ob sich in den letzten Jahren da so wahnsinnig viel getan hat. Mit einer Ausnahme: Die schreibenden Männer, die, wie wir Autorinnen, jetzt auch mit dem Nachwuchs daheim sitzen und sich zersprargeln zwischen Schreibtisch und Kinderbettchen, stecken in derselben Klemme wie wir. Welcome to our world!
Woolf zeigt in „A Room of One’s Own” enorm viel Empathie für die Lebensumstände von schreibenden Müttern. Dabei hatte sie selbst keine Kinder, konnte sich aber offensichtlich sehr gut in die Situation ihrer Kolleginnen einfühlen. Und steht damit nicht alleine da. Verständnis für literarisch ambitionierte Frauen mit Kindern zeigten und zeigen auch viele ihrer späteren Kolleginnen, ganz gleich, ob diese nun selbst Familie hatten oder nicht.
Empathiefähigkeit ist ja eine Grundvoraussetzung für gutes Schreiben. Wie sonst soll man sich in die Welt seiner Figuren hineindenken, ganz gleich welcher Lebenswelt diese entstammen? Alles immer und ausschließlich aus sich selbst heraus zu generieren, wie es autofiktionale Literatur tut, verlangt einem sicher eine Menge ab, aber Empathiefähigkeit gehört bestimmt nicht dazu. Die Fiktionalität erfordert diese aber sehr wohl. Weshalb Autorinnen und Autoren von fiktionalen Texten ein gerüttelt Maß an Verständnis für ihre Umwelt mit sich bringen müssten und das, gottlob, auch zuweilen tun, unabhängig von Geschlecht und Herkunft. Was wiederum Woolfs These unterstützt, wonach ein guter Autor, eine gute Autorin beide Geschlechter in sich vereinen muss, also außerhalb ihres eigenen Geschlechts denken und fühlen kann.
Ich fand diesen Gedanken, selbst gefangen in einem immer mehr ermüdenden Hamsterrad aus Kindern, Brotjob und Schreiben, unglaublich tröstlich. Virginia Woolf, so schoss es mir durch den Kopf, hat dieses Dilemma schon vor 93 Jahren verstanden. Ein „Raum für sich allein“ und finanzielle Sicherheit – das bedarf es, um sich als schreibender Mensch frei entfalten zu können. Und das gänzlich unabhängig vom eigenen Geschlecht. Denn sehe ich mir meinen Autorenfreund T. an, wie er mit zwei kleinen Kindern als engagierter Vater versucht, alles unter einen Hut zu bringen, so finde ich mich darin selbst wieder und denke mir: Keiner von uns sollte in diesem Hamsterrad gefangen bleiben. Und sehe ungeahntes Potential in einer jungen Generation an Autorinnen und Autoren heranwachsen, die, klassische Geschlechterrollen längst über den Haufen werfend, einander besser verstehen lernen und sich gegenseitig unterstützen. Wenn das mal kein Grund zur Hoffnung ist!
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