Kolumne von Susanne Falk.
Ich bin deutsche Staatsbürgerin. Das ist nun einmal so. Daran könnte ich theoretisch etwas ändern und mich in meiner Wahlheimat Österreich einbürgern lassen. Die Chancen dazu stehen allerdings nicht gut, weil Österreich aktuell kaum Staatsbürgerschaften vergibt. Und es ändert auch nichts an der Tatsache, dass aus mir, rein äußerlich, so oder so keine österreichische Autorin mehr wird: Mein Akzent passt genau so wenig zur Alpenrepublik wie mein Reisepass. Ich bin ein Störfaktor in der Literaturlandschaft, die gerne diverser werden möchte, aber ganz sicher nicht einheitlicher. Also trennen wir weiterhin hübsch nach Herkunft, obwohl uns eigentlich mehr eint als trennt.
2023 wird Österreich Gastland der Leipziger Buchmesse sein, so diese denn wirklich stattfindet. Das ist schön und freut die österreichische Literaturlandschaft. Blöd nur, wenn man nicht so richtig dazugehört. Ich lebe in diesem Land schon länger, als ich je in Deutschland gelebt habe. Ich habe hier viele Wurzeln geschlagen, auch literarische. Meine letzten vier Bücher sind alle in einem österreichischen Verlag erschienen, meine Theaterstücke stehen bei einem österreichischen Theaterverlag unter Vertrag. Ich habe in Wien studiert und promoviert, bin hier verheiratet, meine Kinder sind Doppelstaatsbürger. Und dennoch käme hier niemand auf die Idee, mich als österreichische Autorin zu bezeichnen, obwohl auch meine letzten Bücher größtenteils in Österreich spielen und mir Schnitzler längst näher ist als Brecht.
Solche wie mich gibt es eine ganze Menge: Deutsche Autorinnen und Autoren, die nicht ins Bild des ehemaligen K.u.K.-Vielvölkerstaates passen. Wir gehören keiner „Minderheit“ an, wir sind nur einfach da, die bei weitem größte ausländische Bevölkerungsgruppe in Österreich, mit ca. 217.000 Personen gemessen an einer Gesamtbevölkerung von nicht ganz neun Millionen.
Bei den Planungen zu „Leipzig 2023“ wurden wir schlicht und ergreifend nicht berücksichtigt. Das könnte man natürlich noch ändern, es sind noch einige Monate bis dahin und mir ist auch klar, dass man bei einem Österreichschwerpunkt vornehmlich mal auf österreichische Autorinnen und Autoren schaut. Nur: Was macht einen Autor, eine Autorin eigentlich explizit zu einem Österreicher oder einer Österreicherin?
Am Ende ist es immer wieder der Pass, der entscheidet. Da kann man noch so sehr Horvaths Werke an die Brust drücken oder sich zum Schreiben im Kaffeehaus herumtreiben – wir gehören hier nicht dazu. Was ja nicht weiter tragisch wäre, würden wir wenigstens irgendwo anders dazugehören. Tun wir aber nicht.
Beantrage ich (sinnloserweise!) Stipendien, geht das nur in Österreich, weil hier mein alleiniger Wohnsitz ist. Da sind die deutschen Förderer heikel. Bekommen habe ich noch nie etwas, weil die Österreicher gerne viel und ausgiebig fördern, aber ganz sicher nicht die deutschen Autoren. Wokämmadenndahin? Und die Deutschen fördern nahezu ausschließlich nach deutscher Bundeslandzugehörigkeit. Da lebe ich aber nicht mehr, nirgendwo in Deutschland. Ich verliere demnächst sogar das Wahlrecht in der Bundesrepublik, weil ich schon zu lange im Ausland weile. Wo also gehöre ich hin?
Das Motto von „Leipzig 2023“ lautet „meaoiswiamia“, sprich „mehr als wir“. Es soll u.a. die kulturelle Vielfalt Österreichs aufzeigen. Könnte man dann bitte einen kurzen Blick auf alles jenseits der Staatsbürgerliteratur werfen und auch genau diese Vielfalt abbilden? Andernfalls müssten sich Leipzig und Frankfurt bei den Gastländern mal etwas einfallen lassen, a la: „Diaspora. Deutsche Autorinnen und Autoren im Ausland“. Da könnte ich mich wenigstens als Weltbürgerin fühlen, wenn ich schon sonst nirgendwo dazugehöre.
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