Kolumne von Susanne Falk.
Papst Leo X. ist verreist. Das hätte er nicht tun dürfen. Der Mann ist definitiv zu alt und zu gebrechlich dafür. Dennoch hatte man ihn von Florenz nach Rom verschickt. Ein Skandal, finden manche. Business as usual, sagen andere. Was stimmt?
Rom hätte der Welt ab dem 5. März 2020 eine einzigartige Schau mit Werken des wunderbaren Raffael, dessen Todestag sich zum 500. Mal jährt, bieten wollen. (Die Ausstellungsräume wurden aufgrund der Corona-Krise nach 3 Tagen wieder geschlossen.) Eine epochale Ausstellung mit den wertvollsten Leihgaben aus aller Welt, darunter auch das Bildnis des besagten Papstes Leo X. Dies gehört den Uffizien in Florenz und dürfte, so das wissenschaftliche Komitee des Hauses, nicht mehr verschickt werden. Zu groß wäre die Gefahr, dass das Werk Schaden nehmen könnte.
Nun hatte der Direktor der Uffizien, Eike Schmidt, das Bild doch nach Rom bringen lassen, entgegen der ausdrücklichen Empfehlung seines eigenen Wissenschaftskomitees. Begründung: Die Raffael-Schau sei so immens wichtig für Italien, dass dieses Bild hier nicht fehlen dürfte. Das schloss ein „Koste es was es wolle!“ mit ein.
Die Frage ist: Worin besteht der eigentliche Skandal? Darin, dass das Bild nun tatsächlich verschickt wurde oder darin, dass ein Museumsdirektor nicht auf die Empfehlung seiner Mitarbeiter gehört hat? Geht es hier also um grobe Fahrlässigkeit oder um mangelnde Führungskompetenz?
Wir alle tun Dinge, die wir nicht tun sollten und das sogar täglich. Der eine raucht, die andere stopft unentwegt Schokolade in sich hinein, weil das Leben manchmal ziemlich stressig sein kann, so mit Familie und zwei Jobs und einer Kolumne, die irgendwann auch mal fertig werden sollte. Und dann prokrastiniert man, weil es so viel lustiger ist, Katzenfotos vom neuen, vierbeinigen Mitbewohner zu verschicken, als zu arbeiten. Und dann kriegt die Mama eines und die beste Freundin und die Kusine natürlich auch, obwohl die das total nervt, nur weil das Tier einfach wirklich, wirklich süß ist! Ganz schwarz und gelbe Augen hat er und Teddy heißt er und… Wo war ich gleich? Ach ja. Also, man verschickt mitunter schon mal Bilder, die man nicht verschicken sollte. Aber gleich ein so großes Drama draus machen?
Das Bild wird vermutlich keinen Schaden nehmen. Diesmal. Sehr viel öfter wird es die Uffizien wohl auch nicht mehr verlassen und damit schrumpft der Elefant aus Sicht derer, für die es hier nur um die Frage geht, verträgt das Raffael-Bild einen Transport nach und eine Ausstellung in Rom (die aufgrund der Corona-Krise, wie gesagt, gar nicht stattfindet), wieder auf Mückengröße. Sehr wohl Schaden nimmt die Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Mitarbeiter, deren Expertise man anzweifelt, obwohl man sie vorher um ihr Urteil gebeten hatte. Ein gutes Beispiel dafür, wie sich Chefs zuweilen gegen alle Vernunft über das hinwegsetzen, was ihnen Experten raten, noch dazu solche, die sie selbst bezahlt haben. Das hat in der Vergangenheit nicht selten zu Katastrophen geführt und letztlich ist es mangelnde Kompetenz, die uns bei gewissen Staatschefs so zu schaffen macht. Darum reden wir uns alle gerne ein, dass sie schon auf die Expertenmeinung hören würden. Tun sie nur nicht immer und dann haben wir den Salat, wissenschaftlich gesprochen den Dunning-Kruger-Effekt: eine fatale Mischung aus Selbstüberschätzung und Inkompetenz, gepaart mit Ignoranz.
Italien wünschen wir von Herzen, dass es die Corona-Krise überstehen möge und irgendwann zur Normalität zurückkehren kann, auch und gerade was sein unglaublich reichhaltiges Kulturleben betrifft. Papst Leo X. wünschen wir eine gute und sichere Heimreise. Und den Experten dieser Welt, gleich ob sie für Gesundheit, den Klimawandel oder historische Gemälde zuständig sind, wünschen wir, dass man ihnen endlich nicht nur zuhört, sondern ihre Ratschläge auch befolgt.
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