Kolumne von Susanne Falk.
Der Wiener hat im Allgemeinen einen ziemlich morbiden Humor. Die Wienerin gleichermaßen, nona. Sie können in dieser Stadt ein Gespräch über süße Hundwelpen anfangen, ich schwöre, binnen fünf Minuten landen Sie doch wieder beim Thema Tod und Sterben. Manchmal braucht es dafür auch nur wenige Sekunden:
„Du, wir haben jetzt einen Golden Retriever, einen Welpen. So herzig, sag ich dir!“
„Ach, wie schön!“
„Ja, gell? Die Kinder sind so happy!“
„Du, das ist gut, dass ihr keinen Hamster gekauft habt. Die sterben ja immer so schnell.“
Wahlweise bringt der Gesprächspartner auch gerne Erzählungen über längst verstorbene eigene Haustiere ein oder erzählt einem etwas über den Hund der, welch Überraschung, jüngst verstorbenen Nachbarin, der ja zwei Tage neben ihr ausgeharrt hat, bis endlich jemand…
Sogar meine eigenen Kinder, beides Wiener, machen gerne Witze über das Ende des Lebens. Das liebste Schimpfwort meines jüngsten Kindes lautet derzeit „Todesschnitzel“. Das hat nichts damit zu tun, dass das Kind Vegetarier ist, sondern schlicht mit einer Abneigung gegen Peppa Wutz. (Eltern dürfen sich hier angesprochen fühlen.)
Laut Georg Kreissler muss ja der Tod selbst ein Wiener sein. Umso nahe liegender in einer Stadt wie dieser eine Schau zum Thema Tod zu machen, in diesem Fall vom Dom Museum Wien unter dem Titel „Fragile Schöpfung“. Da wird uns auf eindrückliche und sehr fantasievolle Weise sowohl unser eigenes Ableben wie auch das der Schöpfung vorgeführt, man siehe nach unter dem Stichwort Klimawandel. Zweifellos ein Höhepunkt der Ausstellung ist ein von Korallen zerfressener, menschlicher Schädel des Künstlers Mathias Kessler. Die Ästhetik ist bestechend.
Dass diese Ausstellung nun ausgerechnet mit einer weltweiten Pandemie zusammenfällt, davon haben die Kuratoren bei der Planung nichts ahnen können. Ein seltsamer Zufall ist es allemal und meine Lust, mich dem Thema Tod auszusetzen, ist, ich gebe es zu, enden wollend. Meine Kinder dagegen haben anscheinend überhaupt kein Problem damit. Und irgendwo dazwischen, also zwischen Todesverachtung und Lebensbejahung, spielt sich derzeit unser Leben ab. Da wird in der Welt aus Playmobil und Handyspielen relativ munter gestorben, während ich mein Gemüt mit dem Schreiben heiterer Sommergeschichten zu beruhigen versuche. Ich bin nicht wirklich sicher, was besser funktioniert.
Jüngst haben wir dann mal die Kleiderschränke ausgemistet und fanden ein altes Shirt mit Glitzerapplikation wieder, das einen Totenschädel zeigt – vor zwei Jahren ein echter Hit bei den Kindern, bis es im Gewühl des Kleiderkastens verloren ging. Nun ist es wieder da. Und wird vermutlich an Halloween zum Einsatz kommen. Da geht das jüngste Kind nämlich als der Tod himself – und bleibt, dank Pandemie, dabei in den eigenen vier Wänden. Kreissler hatte also Recht, der Tod ist tatsächlich ein Wiener. Und er wohnt bei mir daheim.
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