Kolumne von Susanne Falk.
Manchmal ist es eine Frage von Tod oder Leben. Manchmal kenne ich darauf die Antwort nicht. Denn ein kleiner Schritt entscheidet alles: Stehe ich vor oder hinter dem Glas?
Als bekennender Trekkie hatte ich mich auf die neue Star-Trek-Serie „Discovery“ sehr gefreut – und wurde schwer enttäuscht. Das ganze entpuppte sich als endloser Gewaltporno im All und hatte zu Recht eine Altersfreigabe ab 16. Besser wäre natürlich gewesen, man hätte die Altersfreigabe auf 120 angehoben, dann hätte den Mist wenigstens niemand sehen müssen.
Ganz anders dagegen war meine Reaktion auf die Serie „The Orville“ von Seth MacFarlene. Die ist nämlich großartig! Humorvoll, schräg, voller Action – so wie Star-Trek-Fans es lieben. In der ersten Staffel (aktuell sind es schon zwei) gibt es eine Folge, in welcher der Captain des Raumschiffes und sein erster Offizier, die nicht ganz zufällig auch seine Ex-Frau ist, in einem Zoo für Außerirdische landen und zwar als Ausstellungsstücke. Die höher entwickelte Spezies, die sie gefangen genommen hat, hält sich gerne Wesen von anderen Planeten hinter digitalem Glas, um sich an ihrem Anblick zu erfreuen. Und schon befinden wir uns als Zuschauer mit Jahreskarte für den Schönbrunner Tiergarten in der Zwickmühle: Sind wir Menschen etwa genauso böse wie die roten Außerirdischen mit den riesengroßen Köpfen?
Wien ist ja nicht nur für seine Walzerseligkeit und seine Schnitzel berühmt, es verfügt auch über den ältesten Zoo der Welt. Ich bin dort mit den Kindern oft und gern hingegangen, um Fische anzusehen, Kühe (zum Zoo gehört auch ein altertümlicher Tiroler Bauernhof) oder Giraffen. Aber, ich gebe es zu: Beim Anblick der Tiere kam mir das ein oder andere Mal der Gedanke, dass uns als Menschen von den Viechern nur ein dünner Zaun aus Elektrodraht trennt. Ansonsten sind wir alle fühlende Wesen und ich kann mir nicht vorstellen, dass es mich im Sinne eines Rollentausches glücklich machen würde, den ganzen Tag hinter Gittern zu sitzen und von vorbeischlendernden Pandabären beglotzt zu werden.
Zum Zoo gibt es in meiner Stadt jedoch eine Alternative und die heißt Naturhistorisches Museum. Da kann man dann dieselben Tiere wie im Zoo hinter Glas anschauen, nur sind diese dann mausetot. Einige davon schon ziemlich lange, weshalb sie etwas mottenzerfressen aussehen.
Wenn ich also die Kinderschar vor die Tür bringen muss, damit sie ihren Bewegungshunger außerhalb unserer vier Wände stillen können, stehen sie stets vor der Wahl: tot oder lebendig? Sprich, gehen wir in den Zoo oder ins NHM? Doch damit machen wir es uns zuweilen zu einfach, denn so sauber ist die Trennung zwischen Lebenden und Toten gar nicht, wie man vermuten würde. So gab es bis vor einiger Zeit durchaus Aquarien mit lebenden Fischen im Museum. Und wenn man nicht aufpasst, landet man im Zoo wiederum zur falschen Zeit am falschen Ort und kann bei der Fütterung der Kormorane dabei zusehen, wie die Vögel mit Massen von toten Hühnerküken gefüttert werden. Gruselig.
So verschwimmen plötzlich die Grenzen zwischen Leben und Tod und damit auch die zwischen Zoo und Museum. Das ganze auf die Spitze treiben dann Ausstellungen wie die „Körperwelten“, in denen wir als Lebende zwischen den Toten wandeln. Die „Körperwelten“ sind damit, von tierischer Perspektive aus betrachtet, vom Naturhistorischen Museum vielleicht gar nicht mal so weit entfernt. Mit dem Unterschied dass Tiere ihre eigenen Toten nicht zur Schau stellen.
So fühlen wir uns manchmal allzu sicher auf der anderen Seite des Glases. (Von der anderen Seite des Tellers mal ganz zu schweigen.) Dabei sollten wir uns vielleicht hin und wieder Gedanken über unsere eigene Rolle in dem machen, was wir Leben nennen und was von Außen betrachtet einem Zoo manchmal ziemlich nahe kommt. Oder einem Museum. Alles eine Frage der Perspektive.
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