Kolumne von Susanne Falk.
Kinder tun das gerne und oft – laut sein. Es ist, als ob sie sich vergewissern müssten, dass sie noch da sind. Die eigene Stimme hören, das Trommeln der Füße, selbst ein lauter Schluckauf (in Österreich Schnackerl genannt) sagen uns, dass wir am Leben sind und lassen uns ganz unmittelbar mit der Welt in Kontakt treten. Doch was passiert, wenn es um uns herum ganz leise wird?
Es gibt viele Situationen, in denen wir leise sind, entweder weil wir es wollen oder weil wir es müssen. Oft auch deshalb, weil es schlicht von uns erwartet wird. Kein Quatschen im Unterricht, keine laute Musik nach zehn Uhr abends und wehe jemand fängt im Konzert vor mir an, mit dem Bonbonpapier zu rascheln – da steigt das Aggressionsbarometer binnen weniger Sekunden um ein Vielfaches an! Wer im Wiener Musikverein die Ricola hervorzieht, der begibt sich in Gefahr!
Jetzt wo wir in Wien wieder im Lockdown daheim sitzen werden, jeder für sich allein bzw. im kleinen Familienverbund, wird es auch wieder ganz leise um uns herum. Keine Konzerte mehr, keine Staatsoper, nicht einmal Musikunterricht in der Schule. In so existenzbedrohenden Zeiten wie diesen ist die Stille nur schwer auszuhalten. Wer hört denn noch, dass wir da sind?
JLo weiß es natürlich besser. „Let’s get Loud!“ ist kein Vorschlag zur Güte, es ist ein überlebenswichtiger Schritt im Kampf gegen den Wahnsinn. Darum singen Menschen und sprechen mit sich selbst, wenn sie allein sind: Um sich zu vergewissern, dass es sie noch gibt. Ich selbst spreche reichlich viel mit mir selbst, wenn ich allein bin, allerdings nur innerhalb meiner eigenen vier Wände. Die Grenze zwischen Verstand und Wahnsinn ist nämlich fließend und es ist ein feiner Unterschied zwischen den Irren da draußen, die ständig vor sich hinbrabbelnd durch die U-Bahn-Station schlurfen und mir, die sich beim Zusammenbau eines Badezimmerunterschranks jeden Schritt laut und deutlich selbst erklärt: „So, Susanne, nun mal die dicke Schraube da ansetzen und… ach Scheiße! Wo ist jetzt die dicke Schraube schon wieder hin?“
Umso größer ist die Freude, dass meine Nachkommenschaft, mit Trompete und Saxophon ausgestattet, locker unser ganzes Viertel davon in Kenntnis setzen kann, dass wir noch leben. Zum Glück haben wir sehr nette Nachbarn…Wobei ja nichts über das gemeinsame Musizieren von Familien geht. Das hat uns schon von der Familie Mozart bis van Halen einiges an Spaß, Freude und Schönheit in diese Welt getragen. Eine ganz besondere Familie sind die Kanneh-Masons, nachzuhören etwa unter https://www.youtube.com/watch?v=k_LmRcr8Mm4. Wenn jemand in diesen Zeiten gegen Angst und Dunkelheit anspielen kann, dann diese Familie! Meine eigene trötet dagegen laut, aber nicht weniger leidenschaftlich über Wien hinweg. Und die Botschaft ist klar: Wir sind noch da!
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