Von Ingobert Waltenberger.
Die dramatische Nacherzählung der Auferstehungsgeschichte mittels unterschiedlicher Musikstile und häufiger Fokus- und Perspektivenwechsel, zusammengehalten durch den schöpferischen Weitblick von Mutter und Sohn (Gardiner) aus Dorset Booklet.
Der große englische Meister Alter Musik, Sir John Eliot Gardiner, legt sein bisher wohl persönlichstes, seiner Mutter Marabel Gardiner gewidmetes Osteralbum vor. Es enthält eine subjektive Auswahl von Ostermusiken aus dem 11. bis 20. Jahrhundert, basierend auf den praktischen Erfahrungen der Aufführungen szenischer Opernspiele in Dorfkirchen der südwestenglischen Grafschaft Dorset jedes Jahr zwischen 1963 bis 1984.
Marabel Gardiner, Regisseurin, Kunsthistorikerin und Sängerin, entwarf in den frühen Sechzigerjahren ein pantomimisches Oster-Schauspiel mit live gespielter Musik. Der in Cambridge aktive Studentensohn sprang mit musikalischem Rat aber auch als Sänger bei. 1964 gründete Gardiner in Cambridge den Monteverdi Choir, einer der bis dato besten professionellen Kammerchöre der Welt. Zwanzig Jahre lang ist Gardiner zu Ostern in die Grafschaft gekommen, um mit seiner Mutter und den Gemeindemitgliedern der St. Andrew‘s Church in Fontmell Magna das Springhead-Osterspiel aufzuführen.
Die tiefe musikalische und spirituelle Erfahrung des kleinen Festspiels will Gardiner nun mit diesem äußerst gelungenen Album revitalisieren. Die Einspielung präsentiert einen Großteil der Musik aus dem ursprünglichen Stück als ,Soundtrack‘, das in eine Folge von Tableaus von Leiden und Auferstehung Jesu erzählt, von den Schrecken Golgathas bis zu den Wundern am Grab, am Weg nach Emmaus und am See Genezareth. Dabei werden die verschiedenen Evangelienberichte miteinander verknüpft. Sir John Eliot Gardiner erinnert sich an eine „würdevolle, ritualartige Lauterkeit, eine berührende Mischung aus feierlichen, stilisierenden und naiv-schlichten Elementen.“ Die Musik bildete den erzählerischen roten Faden, ein Evangelist sang den Evangelientext auf Grundlage einer bearbeiteten englischen Fassung von Heinrich Schütz‘ ,Historia der Auferstehung Jesu Christi‘. Laien- und Profisänger traten gemixt auf. Aber es wäre nicht England, wenn nicht in der Scheune auch getanzt worden wäre und auf der Wiese schlemmerartige Picknicks mit Wein das Spektakel abgerundet hätten.
Auf dem neuen hörenswerten Album wurde die ursprüngliche Programmfolge um ein paar größere Stücke erweitert, beispielsweise das ,Abendlied‘ von Josef Gabriel Rheinberger oder ,Woeful array‘d‘, ein von William Cornysh vertontes Gedicht, das man John Skelton zuschreibt (Informationen Christopher Webb Booklet).
Das musikalische Tagebuch ist unterteilt in sechs Abschnitte: Die Kreuzigung, Am Ostermorgen, Maria Magdalena am Grab, Auf dem Weg nach Emmaus, Am See und Epilog. Der Monteverdi Choir und die English Baroque Soloists unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner erfreuen den neugierigen Zuhörer mit Kompositionen u.a. von John Taverner, Carlo Gesualdo, Thomas Morley, William Byrd, Samuel Scheidt, Thomas Tallis oder Giovanni Gabrieli. Viele der Stücke wurden von Gardiner selbst für die Erfordernisse der Aufführung adaptiert.
„Die Monteverdi- Ensembles hoffen, dass diese Einspielung etwas wachruft, woran sich Carol Savage als ,jene glücklichen Tage‘ in Springhead erinnert und das in diesen aufgewühlten Zeiten einen Augenblick der Besinnung bietet.“ Die CD bietet auf jeden Fall auch bekanntere Chormusik aus der Renaissance in einen sinnfälligen inhaltlichen Kontext gestellt und von den Besten in all ihrer langjährigen Erfahrung und in dichter Atmosphäre interpretiert. Wunderbar!
Love is come again
Monteverdi Choir, Sir John Eliot Gardiner
Soli Deo Gloria 2019
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Coverabbildung © Soli Deo Gloria
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