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Mutige Liebe – Liebesmutig: Janice Jakaits dritter Streich

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Mutige Liebe – Liebesmutig: Janice Jakaits dritter StreichRezension von Carsten Schmidt

Da ist sie wieder, die mutige Ruderin und mystische Seelensucherin. So denkt man und schlägt das dritte Buch „Liebe“ der wieder zum Scorpio-Verlag zurückgekehrten Frau auf, die uns mit ihrem wilden Lockenkopf durch Lanz und Co. erzählte, wie es so ist, wenn man getrockneten Tee raucht, weil einem auf dem Ozean die Zigaretten ausgehen. Man fragt sich, wohin es nach den Bestsellern „Tosende Stille“ und „Freut euch nicht zu spät“ diesmal geht/treibt/schwebt. Aber auch der Untertitel zu „Liebe“ verheißt nichts Klares. „Der Mut, mich hinzugeben, statt mich herzugeben.“

Und so sinkt man hinein in diese Passiv-Aktiv-Tür, quer durch die Seiten. Janice Jakait durchbricht gleich zu Anfang das, was im Theater die vierte Wand wäre, und berichtet, wie sie das halbe Manuskript kurz vor Abgabetermin quasi schredderte und sich eingestand: Es gibt noch eine ganz andere Geschichte zu erzählen, und die will sie authentisch angehen. Sie schreibt:

„Es soll also ein ehrliches Buch sein –
mein Scheitern in vielen Beziehungen und meine Verbitterung sollen hier ebenso
Platz finden wie viele kleine, letztlich für mich ganz große Erfolge auf dem Weg zurück
zu mir selbst und in eine tiefere, engere Beziehung zu anderen Menschen.“

Die andere, die noch nicht erzählte Geschichte hat mit all den Kapiteln über Beziehungen und Trennungen, Schmerz, Selbstzweifel und tiefsten Depressionen elementar zu tun. Sie geht zurück bis zur Geburt und zur Identität. Und nachdem sich die ersten vierzig Seiten ein wenig lesen wie ein Sportkommentar über einen Stabhochspringer, der zehn Mal Anlauf nimmt, steht sie dann da, die Wahrheit. Janice Jakait wuchs auf als Junge, der sich zeitlebens unwohl, nicht genug, nicht wertvoll, nicht richtig, zwischen den Dingen stehend begriff. Durch viele Täler sozialer Scham sowie tiefster, auch suizidaler Phasen glitt sie – und entschied sich mit Anfang zwanzig, ihrem Gefühl zu folgen und ihren Körper so angleichen zu lassen, dass sie sich darin besser fühlen konnte.

Das Gefühl jedoch, mit sich im Einklang zu sein und sich selbst schön zu finden, kam nicht über Nacht. Durch mehrere Beziehungen hindurch fand Janice nicht den Schlüssel zu sich. Immer wieder scheint ihr zu dämmern: Im Kopf, nicht im Körper steckt das Problem. Brüllende Selbstzweifel, oberflächlicher Erfolg, schnelle, heftige Affären, Betäubung durch exzessive Drogennächte und -tage. Alle kleinen und großen Fluchten helfen nichts. An ihrer Zerrissenheit kann auch eine sensationelle Ozeanüberquerung nichts ändern. Der Ruhm auf Bühnen und in Vortragssälen werfen sie nur immer wieder zurück zu sich und ihrer Verlorenheit. Sie fragt: „Wer trifft sich schon gern auf einen Cappuccino mit der Einsamkeit?“

Es ist das negative Bild auf sich und die Umwelt, das ihr zu schaffen macht. Unruhe, Gereiztheit – immer muss eine Art Hintergrundmusik laufen. Und da ist dann doch das schlagende, warme, menschliche Herz, das einfach nur lieben will, jedoch weder sich noch ihre Erwartungen und Ansprüche einpendeln kann. Das verdeutlicht sich schon im Anfang des selbstironischen Satzes zu dem Thema:

„Meine ideale 100-Prozent-Liebe bestand aus 900 Prozent Eros & Leidenschaft,
900 Prozent Storge & Freundschaft, 37 Prozent Agape & Aufopferung, …“

Sie möchte ja „loslassen, aber nicht hinfallen.“ Sie möchte sich hingeben, aber nicht um jeden Preis, nicht gegen jede Angst. Und während sie gerade eine schmerzhafte Trennung hinter sich hat, geschieht eine Veränderung. Ihr negatives, kritisches, unduldsames Bild auf andere verändert sich plötzlich.

„Ich war derart fixiert auf die Mängel, dass ich die Fülle gar nicht begriff.“

Das ist ein turning point. Schritt für Schritt kann sie auch sich wieder im Spiegel anschauen und geht gnädiger mit sich um. Sie kann mehr zulassen, wird offener und verzeiht sich selbst mehr ihren „irren Weg“. Jetzt, mit fast vierzig und nach etlichen gelesenen Ratgebern und buddhistischen Büchern, sinken einige Weisheiten ganz langsam bei ihr ein und tun ihre Wirkung. Was sie in „Tosende Stille“ noch nicht schreiben konnte und wohin sie bei „Freut euch nicht zu spät“ nicht richtig zielen konnte, das tropft nun heraus. Es fließt nicht, es scheint und glänzt nicht.Janice Jakait Liebe

Auf ganz wundersame Weise verzeiht man Janice Jakait den teilweise verwirrenden, im Sturm hin und her geworfenen Stil. Man verzeiht die essayistisch eher gewagten Spaziergänge zwischen Schäfchenwolken und Regenwolken oder Hase und Igel – weil sie in diesem dritten Werk eine vollkommen andere Qualität der Authentizität und Ehrlichkeit hervor…ja…quellen lässt – was zum Beispiel wirklich konkret in einem tief depressiven, sich selbst herunterdrückenden Kopf vor sich geht – und man spürt, live, ergriffen und nickend, dass dieses außergewöhnliche Buch nicht anders hätte entstehen können.

Wie bei manchen Entstehungsprozessen gibt es auch hier wertvolle Nebeneffekte, die viel interessanter scheinen als das eigentliche „Produkt“. Einige Rezensenten und Leser mögen die Geschlechtsangleichung oder die Drogenexzesse als spektakulär ansehen. Doch scheint das eher als eine Art Vehikel für eine ehrlichere Schreibweise, die Janice Jakait in ihren ersten Büchern vielleicht ansetzen wollte, für die sie jedoch keine Stimme hatte. Nun hat sie eine. Aus dem „Careless Whisper“ ist ein Brüllen der befreiten Löwin Janice Jakait geworden.

Bei der Lektüre kann man an den Bildhauer Auguste Rodin denken und den sinnhaften Dialog:

Wie haben Sie nur die Statue so schön geschaffen?“ –
„Sie war die ganze Zeit im Marmor. Ich habe nur den Stein drum herum entfernt.“

Im ersten Buch ist Janice Jakait losgerudert. Im zweiten zwischengelandet. Nun hat sie sich freigeschrieben – und kann jetzt alles angehen. So wie es die von ihr verehrten britischen Sänger von Eurythmics sangen:

“If you open your heart
you can make a new start,
when your crumbling world falls apart.”

Janice Jakait
Liebe oder der Mut, mich hinzugeben, statt mich herzugeben
Scorpio Verlag, München 2017
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Coverabbildung © Scorpio Verlag

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