Eine Kurzkritik von Daniel Grosse
Die gute Nachricht ist: Das alte Marbacher Europabad kommt in dem Film Streiflicht sehr gut weg. Die schlechte: dazu später. Mitte November präsentierte der Macher, Regisseur und Drehbuchautor des Kinofilms, Thomas Rösser, im Marburger Kino „Studio“ eine weitere Vorstellung – eine Sonderveranstaltung. Noch einige Kinotage sollten folgen. Sogar eine Verlängerung der Laufzeit um eine weitere Woche hatte die Kinobetreiberin zusätzlich zugesagt.
So stiegen Rösser und der Komponist der Streiflicht-Filmmusik, Markus Metzler, gemeinsam vor Beginn auf die Bühne. In unterhaltsamer Wechselrede sprachen beide über die Entstehung der Musik. Dutzende Orchestermusiker machten diese letztlich erst möglich. Das Ergebnis: eine brillante Untermalung, Verstärkung und Begleitung dessen, was die Zuschauer auf der Leinwand zu sehen bekommen.
Und der Film selbst, das Visuelle? Ja, er ist gut. Streiflicht ist interessant. Langsam kommt er daher, tatsächlich, ganz so, wie Rösser ihn eingangs auch angekündigt hatte. Streiflicht erinnert an Filmkunst aus den späten 50ern, an die 60er. „Wenn die Gondeln Trauer tragen“, ist zu spüren. Dieser Film aus den 70ern mit Donald Sutherland wird als Thriller/Drama gelistet. Rösser macht es ebenso in seiner Werbung für sein Werk Streiflicht. Zufall? Das ist nicht entscheidend, wichtiger erscheint die Bildsprache, wie Streiflicht mit Farben spielt. Szenen sind mal optisch überzeichnet, fast grell, insgesamt aber sehr weich gehalten, matt. Sparsam waren die Macher beim Schnitt. So folgt das Auge in aller Ruhe dem, was geschieht – oder eben nicht geschieht. Die Längen tun gut. Zehntelsekunden kurze Momente, in denen ETWAS aufblitzt, etwas Unheimliches, würzen den Film, ohne ihn doch wieder eher hektisch werden zu lassen.
Die Geschichte im Ganzen ist in sich logisch, wenn auch an zwei Stellen, nach dem erstmaligen Anschauen, irgendetwas nicht ganz stimmt. Vielleicht löst sich das beim mehrmaligen Betrachten auch auf. Und entpuppt sich als Irrtum des Kritikers. Nicht nur das Europabad kommt im Film gut weg. Marburger erkennen Dutzende markante Orte in der Uni-Stadt wieder. Besonders schön: der Eis-schleckende Hauptdarsteller in der Rolle des Wilko vor dem Café Klingelhöfer im Marburger Südviertel. Nur ein Beispiel.
Ja, Wilko. Und da kommt das Aber. Zumindest gleich. Wunderbar ist, dass Rolle und Schauspieler dem Betrachter Zeit geben, zu verstehen, was Wilko wie sagt. Das unterscheidet übrigens sämtliche Dialoge in Streiflicht auf angenehme Weise von denen, die in Sendungen wie „Tatort“ oder anderen Filmen, meist im Fernsehen, bisweilen ganz selbstverständlich, gesprochen werden. Und zwar schnell und undeutlich. Ganz anders also in Streiflicht. Auch Wilkos Mimik in Rössers Film ist klar, sie ist verständlich, unterstreicht das Gesprochene. Aber: Der Hauptdarsteller spricht seinen Text hölzern. Verzeihung. Vielleicht mag das ein Stilmittel des Films sein. Vielleicht ein Markenzeichen des Schauspielers, aber irgendetwas an der Rolle und dem Wilko-spielenden Menschen irritiert. Auf jeden Fall ist es seine Sprache, wie er Worte betont. Da fehlt die Lässigkeit. Liegt es am Schauspieler, an der Rolle des Wilko oder an dem Regisseur?
Insgesamt ist Streiflicht – und wieder ein Aber –ein ansprechender Kinofilm mit angenehmen Längen, der seine Betrachter galant durch Marburg und das Umland mitnimmt. Und für Marbacher ein Muss. Allein deshalb, weil viele dort Schwimmen gelernt, jede Wand- und Bodenfliese sowie die Treppe zur Schwimmhalle hinauf sicher noch exakt im Gedächtnis haben, weil sich viele bestimmt gerne ans Kassenpersonal, an andere Mitarbeiter und den Bademeister erinnern, wie er ohne Murren stets das Sprungbrett mal hoch, mal runter hat fahren lassen (war stufenlos verstellbar). Und der Film ist wichtig, weil das Europabad so wenigstens weiterhin sichtbar bleibt. Wenn auch „nur“ in einem Film.
Der Originalbeitrag erschien unter Marbach direkt.
Ein Interview mit dem Regisseur lesen Sie hier
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