Rezension von Barbara Hoppe.
Sarah Stovell lebt in Northumberland, unterrichtet Creative Writing an der Lincoln University, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Und es scheint, als habe sie mit ihrem ersten Psychothriller genau das getan, worüber eine ihrer Protagonistinnen – die erfolgreiche Autorin Bo Luxton – immer den Kopf schüttelt: Sie hat bei ihrem Romanthema, zumindest beim beruflichen Hintergrund, auf Erfahrungen aus dem eigenen Leben zurückgegriffen.
Diese Bo Luxton ist 40 Jahre alt und Bestsellerautorin. Sie lebt mit ihrem 22 Jahre älteren Mann Gus und den beiden sechs und acht Jahre alten Töchtern Lola und Maggie im Lake District. Ihr Leben verläuft zwischen Bergen, Seen und Dorf in einer malerischen Landschaft mehr als friedlich. Bei einem Schreibseminar in Northumberland, das sie leitet, trifft Bo auf Alice Dark. Die 25-jährige fasziniert die Autorin. Die Jüngere ist hübsch und talentiert, wenngleich abgebrannt und unglücklich mit ihrem Freund. Bo beginnt, sich um Alice zu kümmern. Es dauert nicht lange und auch Alice kann Bo nicht widerstehen. Die beiden Frauen beginnen eine Freundschaft, die weit über das normale Maß hinaus geht und obsessive Züge annimmt.
Harmlos bis an den Rand des Wahnsinns
Es ist ein Irrglauben, dass Thriller möglichst vieler Schnickschnacks und zahlreicher Wendungen bedürfen, um spannend zu sein. Sarah Stovell beweist, wie harmlos und im Grunde ereignisarm das Unheil seinen Lauf nimmt. Ganz schleichend entsteht eine gefährliche Dynamik, schaukeln sich die Gefühle der Frauen hoch. Abwechselnd erzählt sie aus der Perspektive von Bo und Alice, gibt Einblicke in zerrüttete Seelen und die Versuche, heil aus dem Schlamassel namens Leben herauszukommen. Für einen Thriller sehr feinsinnig gießt Sarah Stovell psychische Dispositionen in zunächst kleine Handlungen, bis sie wie bei einem Vulkanausbruch nicht mehr zu stoppen sind. „Sie liebt mich. Sie liebt mich nicht“ ist bester Thriller-Unterhaltung. „Rien ne va plus“ heißt es beim Spieleinsatz beim Roulette. „Faites vos jeux“, wenn es von vorne beginnt. Ein Titel, der zu Sarah Stovells Debüt auch gepasst hätte.
Sarah Stovell
Sie liebt mich. Sie liebt mich nicht
Knaur, München 2019
Buch kaufen oder nur hineinlesen
Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.
Pingback: Der Literatur-Podcast am Sonntag: Sarah Stovell “Sie liebt mich. Sie liebt mich nicht.” – Feuilletonscout. Das Kulturmagazin für Entdecker