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Salzburger Pfingstfestspiele 2025: „Hotel Metamorphosis“

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Barrie Koskys grandioses La Follia-Vivaldi-Ovid Pasticcio „Hotel Metamorphosis“ triumphiert bei den Salzburger Pfingstfestspielen 2025. Die Grand Dame des Mezzo, Pfingstfestspiele-Doyenne Cecilia Bartoli, setzt nach Sevilla und Rom die Klänge der Lagunenstadt Venedig in den künstlerisch dramaturgischen Fokus. Von Barbara Röder.

Die Welt steht Kopf oder „La Follia Absoluta“

Vier Stunden poetische Regie-Verzauberungskunst, mehr als 40 kompositorische Kleinode des venezianischen Meisters Antonio Vivaldi, die dessen, meist auf die „Vier Jahreszeiten“ reduzierten Kompositionen in seiner funkensprühenden Ideenvielfalt nachspüren. Regisseur Barrie Kosky und sein Dramaturg Olaf A. Schmitt übersetzten ihr frisch konzipiertes barocke Illusionstheater in die Jetztzeit. Orpheus, Ovid und Vivaldi! Ein gewagtes, geglücktes Experiment! Ein tödlich schöner, barock-illustrer Cocktail, der auf der Bühne des Hauses für Mozart furios daherkommt und prachtvoll glückt.

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Hotel Metamorphosis 2025: Lea Desandre (Echo), Angela Winkler (Orpheus), Il Canto di Orfeo, Tänzer·innen © SF/Monika Rittershaus

Kosky entfesselt den barocken Wahnsinn

Närrisch geht es zu im Tollhaus „Hotel Metamorphosis“! Wild, bunt, skurril und höllisch obskur. Hat man erst mal eingecheckt, glaubt sich sicher und geborgen, geht Holterdiepolter die höchst subtile Verwandlungsshow ab. Nymphen, Götter und Menschen wuseln über die Flure. Allesamt sind es mythischen Gestalten, welche, aus den „Metamorphosen des Ovid“ entsprungen, ihre Geschichten, ihre Schicksale leben und ausleben. 

Ein Hotel als mythischer Taumelraum

Orpheus sinniert. Er schreibt Tagebuch, zitiert die „Metamorphosen“ von Ovid, der ihm, seinem tragischen Helden, eine Stimme verlieh. Gedichte von Rainer Maria Rilke entzünden die Fantasie des Liebenden. Gestrandet in einem sterilen vier Sterne Hotel, schwinden Orpheus die Sinne. Er verliert sich in den Mythen. Angela Winkler ist jener schwarz gekleidete Orpheus, der mit kindlich sinnenfrohem Gemüt einem Puck aus dem Sommernachtstraum gleichend, die fünf zur Lebendigkeit erwachende Storys aus Ovids „Metamorphosen“ erzählt. Wild ästhetische Videos von rocafilm verfremden den sauber anmutenden Raum ebenso wie das gut durchdachte, irisierende Lichtdesign von Frank Evin.

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Hotel Metamorphosis 2025: Nadezhda Karyazina (Minerva/Nutrice/Juno), Cecilia Bartoli (Eurydice, Arachne) © SF/Monika Rittershaus

Kammerklang und Klangmagie aus Venedig

Dirigent Gianluca Capuano und das exquisite Alte-Musik-Ensemble „Les Musiciens du Prince-Monaco“ verwandeln kammermusikalisch die Szenerie. Exotische Klänge wie die einer Chalumeau, dem Salterio, einer alten Zither sowie die erdig tönenden Holzbläser, die höchst virtuos Soloparts ins funkelnde Farbspektakel katapultieren, offenbaren Vivaldi als Hexenmeister neuer Klänge. 71 Opern hat der Geigenvirtuose, Koloraturzauberer und Feuer-Hitzkopf Vivaldi komponiert, unzählige opernhaft klingende Konzerte ebenso. Aus diesem Füllhorn von nahezu 500 Werken an Inspiration schöpfte das Regieteam um Verwandlungskünstler Barrie Kosky.

Zwischen Götterkrieg und Liebeswahn

Im „La Follia-Vivaldi-Ovid Pasticcio“ Welttheater-Hotel (Bühne: Michael Levine) begegnen wir einem schüchternen, verschrobenen, Pullunder tragenden Biedermannbildhauer Pygmalion, der sich in seine von ihm kreierte Puppe verliebt. Philippe Jaroussky ist dieser etwas linkische, später selbstverliebte Narcissus. Er singt beseelt geschmackvoll, betörend gefühlvoll mit hoher Countereleganz. Im heftigen Zickenkrieg liefern sich die vollmundig erzig klingende Minerva von Nadezhda Karyazina und die nicht minder virtuos singende, ja betörende Cecilia Bartoli als Arachne einen furiosen Schlagabtausch. Die Webdesignerin Arachne fristet nach ihrer Niederlage bekanntlich das Schicksal als Spinne. Als glucksendes Echo und in den Vater verliebte Myrrah, die an ihrer Liebe zerbricht, erfreut die Sopranistin Lea Desandre. Ihre frische, süße und herzzerreißende Interpretation der Myrrah, welche in der Verwandlung in einen Baum aus dem Kühlschrank herausgleitet, besticht und verzaubert. Ein Glücksfall!

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Hotel Metamorphosis 2025: Philippe Jaroussky (Pygmalion), Tänzer·innen
© SF/Monika Rittershaus

Tanz der Mänaden, Gesang der Schatten

Herrlich sinnlich toben, ja stürzen die von Otto Pichler choreografierten Tänzer mal als lustbetonte Musical-Hair-Formation oder schwarze, Menschen zerstörende Mänaden durch die scheinbar wohlgeordnete Szenerie des Hotels und zerfetzen Orpheus. (Kostüme: Klaus Bruns)

Wenn zudem dunkle Donnerschläge wie ein düsteres Weltuntergangsszenario tönen, dann befinden wir uns im schwarzen Höllenhund-Untergrund des Hotels, assoziiert man leicht Verdis „Dies Irae“. Schauder und Beklemmung pur! Wenn die große Bühnentragödin Cecilia Bartoli zum Abschlussgesang der Eurydice aus „Il Farnace“ anstimmt, der fulminant tönende Chor „Il Canto di Orfeo“, ausstaffiert in pechschwarzen Pestgewändern, das Klagelied „Sileant zephyri“ singt, stockt der Atem! Im Hades trägt man tiefe Trauer. Grandios!

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Schlussapplaus Premiere Hotel Metamorphosis 2025: Nadezhda Karyazina, Philippe Jaroussky, Cecilia Bartoli, Lea Desandre, Angela Winkler © SF/Marco Borrelli

Die Seele tanzt, die Zeit steht still

Direktrice Cecilia Bartoli, „Queen of Surprise“ hat mit klugem Gespür, Humor und einer gehörigen Portion Weitblick Salzburg in einen künstlerisch hoch spannenden „Festival-Place to be“ an Pfingsten verwandelt. Das ist Musik und sind poetische Sternstunden mit Suchtpotential, die die Seele, den Geist und das Herz beflügeln und frei schwingen lassen. Die Metamorphose ist geglückt. Venedig lag an der Salzach. Großes Kompliment!

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Salzburger Pfingstfestspiele 2025: The sounds of Venice on the Salzach

Barrie Kosky’s spectacular Hotel Metamorphosis thrilled audiences at the 2025 Salzburg Whitsun Festival. Cecilia Bartoli placed Vivaldi and Ovid at the center—creating a poetic fusion of baroque sound and mythic fantasy. Over 40 Vivaldi compositions were masterfully intertwined with Ovid’s Metamorphoses, brought to life in a dreamlike hotel of transformation.

Orpheus, portrayed by Angela Winkler as a black-clad narrator, guides us through five mythic episodes, accompanied by surreal visuals (rocafilm) and Frank Evin’s iridescent lighting design. Under Gianluca Capuano, the ensemble “Les Musiciens du Prince-Monaco” gave Vivaldi’s music new brilliance.

Philippe Jaroussky shines as Narcissus, Lea Desandre enchants as Myrrah, and Nadezhda Karyazina and Cecilia Bartoli deliver a fierce vocal duel as Minerva and Arachne. Otto Pichler’s choreography unleashes ecstatic dancers as maenads who tear through the hotel’s ordered world—all the way to its underworld.

The finale—Bartoli’s lamenting Eurydice and a chorus dressed in plague robes—is breathtaking. With Bartoli’s inspired artistic direction, Salzburg has become the “place to be” for Whitsun. A dazzling metamorphosis full of sensuality, myth, and baroque ecstasy. For one night, Venice shimmered on the banks of the Salzach.

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