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Statt Kino: „Il Trovatore“ aus Verona

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DVD

Von Ingobert Waltenberger.

2019 war die Opernwelt in Verona und andernorts noch in Ordnung. Die Arena bis auf den letzten Platz gefüllt, konnten die wohl überwiegend wegen des russischen Sopranstars gekommenen Opernfreunde bei bestem Wetter Verdis “Il Trovatore” in der 2001 aus der Taufe gehobenen Inszenierung des 2019 96-jährigen Franco Zeffirelli genießen. Er starb am 15. Juni und erlebte die Premiere zwei Wochen später nicht mehr. Zeffirelli entwarf passend zur 2000 Jahre alten römischen Arena ein bunt gewürfeltes wuchtiges Spektakel im Cinemascope Format, mit detailreich durchchoreographierten Massenszenen, einem beeindruckenden dreitürmigen Bühnenbild samt Riesenrittern und vielerlei Action mit Pferden und metallisch scheppernden Gefechten auf der Bühne. Ein großer Theatermoment gelingt dem italienischen Regie- und Bühnenbild-Altstar in der Verwandlung eines speer- und schwertstrotzenden Turms in eine gigantische gothische Kathedrale. Die Zigeunerszene mit der noch immer gediegen agierenden und musikalisch erstklassigen Dolora Zajick als Azucena  gerät zum mega quirligen Volksfest mit Ballett, Chor und Statisterie wie einst bei der Wiener Carmen vom 9.12.1978. Wie damals ist die Szenerie stimmungsvoll in goldenes Licht getaucht.

Die übliche, wie immer unsinnige Frage nach Kitsch ja oder nein, hin oder her, interessiert uns hier nicht. Zeffirelli kann die große Bühne der Arena nicht nur füllen, sondern auch theatralisch stimmig und stückadäquat bespielen. Das jetzt auch im besten 4K Ultra HD Format erschienene Video überzeugt durch eine abwechslungsreiche Kameraführung, ungewöhnliche Perspektiven und einem wohldosierten Mix aus long shots und close-ups. Die optische Seite der Aufführung kann also was, tut das auch die musikalische?

Sängerisch kommt die Aufführung – von Netrebko einmal abgesehen – über (gutes) Mittelmaß nicht hinaus. Im Falle des italienischen Baritons Luca Salsi als Conte di Luna gibt es ein wirkliches Ärgernis zu vermelden. So intonationstrüb und am Notenbild im Ungefähren vorbeischlitternd darf die Szene und Arie „Il balen del suo sorriso” nicht gesungen werden. Ein undisziplinierter und damit das Publikum nicht (gebührend) respektierender Auftritt. Von der Intonationsgenauigkeit und musikalischen Sauberkeit her überzeugt neben dem nach wie vor imponierenden Met Star Dolora Zajick am meisten der aserbaidschanische Tenor Yusif Eyvazov als Manrico. Über sein Timbre ist schon viel geschrieben worden, es wird auch bei x-ten gut gemeinten Versuch, es galant umschreiben zu wollen, nicht schöner. Solche technisch sehr guten, großvolumigen Tenöre mit herb individuellen Timbres gab es schon immer (z.B.: Usunow) und haben auch ihre Bewunderer. Eyvazof ist jedenfalls ein musikalisch treffsicherer Interpret der sauschwierigen Titelpartie, und das ist in heutigen Zeiten schon sehr viel.

Seine Ehefrau Anna Netrebko in der Rolle der Leonore singt mit Riesenstimme, am Beginn dynamisch undifferenziert, aber durch und durch “Verona-geeicht”. Die Eingangsarie “Tacea la notte placida” klingt noch nach Einsingübung mit einigen unsauberen Tönen in der unteren Mittellage. Wer hören will, wie fein abschattiert und sternstundenwürdig die Diva diese Arie hinbekommt, sollte sich den Youtube Clip “Anna Netrebko Il Trovatore ‚Tacea la notte placida‘ Live from Red Square Concert / 2013” gönnen. Ab dem Terzett “Deserto sulla terra” ist die Netrebko-Welt aber weitgehend wieder in Ordnung. Da haben vom Volumen und der Strahlkraft her die beiden Männer keine Chance. Netrebko überwältigt nach wie vor mit ihrer silbrig leuchtenden Höhe, wunderbaren Legato-Bögen und schwebenden Pianissimi in der letzten Arie.

Der junge italienische Bass Riccardo Fassi gibt einen unauffällig braven Ferrando, Elisabetta Zizzo eine sehr schlanke Ines. Die Comprimarii Carlo Bosi als Ruiz, Dario Giorgelé als Un vecchio zingaro und Antonello Ceron als un messo erledigen ihren Job.

Pier Giorgio Morandi dirigiert den sehr guten Chor und das technisch weniger gute Orchester der Arena di Verona al fresco mit breitem Pinselstrich. Von der Präzision und vor allem der Koordination Graben-Bühne her sicher keine Meisterleistung, aber temperamentvoll genug, um den Funke auf das Publikum überspringen zu lassen.

Zur Technik

Der Begriff Ultra HD (Ultra High Definition, kurz UHD) ist ein digitales Videoformat. Eingeführt wurde es vom NHK Science & Technology Research Laboratories – Forschungszentrum des NHK – in Japan und als zukünftiges Fernsehformat vorgeschlagen. Die Auflösung in Pixel beträgt 3840 x 2160 Pixel (4K). Insgesamt hat man bei 4K also 8.294.400 Pixel und somit die 4-fache Pixelzahl eines Full-HD-Bildes. Dies entspricht ungefähr der Auflösung eines Fotos, das mit einer 8 Megapixel Kamera aufgenommen wird. Bei 8K wären es schon 33.177.600 Pixel und somit die 16-fache Pixelzahl eines Full-HD-Bildes. Also ca. 33 Megapixel.

Das Vergnügen der hohen Auflösung betrifft Bild und Ton gleichermaßen. Wer ein geeignetes Abspielgerät (4K Ultra-HD Blu-ray Disc Player) besitzt, ist mit dieser ausgefeilten Blu-ray Technik bestens bedient. Sie überragt normale DVDs in jeder Hinsicht um ein Vielfaches.

4K Ultra HD Blu-ray
GIUSEPPE VERDI: „IL TROVATORE“
Anna Netrebko, Yusif Eyvazov, Luca Salsi, Dolora Zajick
Arena di Verona live 2019
major, Unitel

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