Von Ingobert Waltenberger.
Der Hindemith-Schüler Josef Tal war nicht nur der Mitbegründer der klassischen Musik in Israel, sondern einer der engagiertesten und interessantesten Wegbereiter von elektronischer Musik. So legte Josef Tal schon 1961 den Grundstein für das „Centre for Electronic Music“ in Israel.
Vor allem die frühe „Suite für Viola solo“ aus dem Jahr 1940 begeisterte mich spontan. Einflüsse der Renaissance (spannende Dissonanzen in der Nachfolge Carlo Gesualdos) und Barockmusik sind ebenso als Vorbilder diagnostizierbar wie die Stilistik eines Max Reger oder von Pfitzner in “Palestrina“. Die kontrapunktisch versierte Komposition ist von klarer Dichte, und gleichzeitig meditativ wie die Solo-Suiten von Bach. Der dritte Satz stellt laut Rohde einen „verfremdeten Tango mit einem entfernten Anklang an den Eröffnungssatz der Leningrader Symphonie von Shostakovich dar.“ Die so vielschichtige und wie im Spiegel das subjektive Erleben reflektierende Suite ist eine echte Entdeckung.
Kurz, aber kraftvoll
Der Bratschist Hartmut Rohde, Professor an der Universität der Künste Berlin und begnadeter Kammermusiker, stellt auf seinem kurzen (knapp 40 Minuten Spielzeit), aber kraftvolle Impulse setzenden Album zwei weitere Werke Tals, diesmal für Viola und Klavier, vor: Die „Sonate für Viola und Klavier“ (1960) und ein „Duo“ für die beiden Instrumente aus dem Jahr 1965. Hartmut Rohde stuft die zweisätzige Sonate als „potentes klangliches Erlebnis, wobei wogende rhythmisch unisono geführte Passagen auffallen“, ein während er für das „Duo“ „mehrere einzelne motivische und rhetorische Gesten, mal heftig auffahrend, dann witzig, fragend oder apodiktisch exklamierend“ als charakteristisch bezeichnet.
Die „Perspektive für Viola solo“ ist das von der Schaffenszeit her (1996) jüngste Werk der CD. Zahlreiche spieltechnische Angaben, wie „hinter dem Steg“, “col legno“ oder „pizzicato“, sorgen für eine ganz spezifische Farbenwelt, die es dem Interpreten erlaubt, „sich in die Welt der Computerklänge zu begeben und Affekte hervorzuheben, die eine ganz wichtige Position in Tals Leben eingenommen haben.“ Josef Tal ist 98 Jahre alt geworden und hat ein umfangreiches Oeuvre mit Opern, Instrumental- und Vokalkompositionen sowie elektronischer Musik hinterlassen. Es ist Zeit für eine Wiederentdeckung auf breiterer Ebene. Schon deshalb ist das neue Album neben dem umwerfend guten Bratschenspiel von Hartmut Rohde empfehlenswert.
Hartmut Rohde
Works for Viola
Cavi-music 2018
CD kaufen oder nur hineinhören
Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.