Von Stefan Pieper
„Ich hoffe, dass dieses Album Trost, Hoffnung und Freude schenken wird“ – diese Widmung, die der in Berlin lebende Pianist Kotaru Fukuma seiner Hörerschaft mit auf den Weg gibt, klingt so entwaffnend direkt, wie auch das Chopin-Spiel des gebürtigen Japaners von beflügelnder Direktheit sprüht! Mit seinem zehnten Album zeigt Fukuma, dass er auf einem guten Weg in die Weltklasse-Liga ist.
Chopins Klaviermusik weist ein riesiges Ausdrucksspektrum und eine geradezu enzyklopädische stilistische Bandbreite auf. Alldem zeigt sich Kotaro Fukuma in jedem Moment souverän gewachsen. Gleich sämtliche 24 Préludes spielt er hintereinander, was gut ist, da auf diese Weise nichts von diesem bemerkenswerten Zyklus vorenthalten wird.
Systematisch wie ein Etudenwerk durchkämmen die 24 Stücke sämtliche Dur- und Molltonarten. Vielgestaltig sind die Ansätze, in denen formale Logik lebt, wie sie auch bei Johann Sebastian Bach nicht stringenter sein könnte. (Chopin hatte hier ja auch in den Preludien aus Bachs Wohltemperiertem Klavier ein unmittelbares Vorbild.) Ebenso wird in den manchmal nur 30 Sekunden kurzen Stücken ein Höchstmaß an Zuspitzung der Aussage vorgenommen, was manchmal schon die miniaturhafte Klangsprache eines Anton Webern vorweg nimmt. Aber Chopins 24 Préludes sind auch das musikalische Abbild einer bedrückenden, von Krankheit gezeichneten Zeit, die ihr Schöpfer im ehemaligen Kartäuserkloster Valdemossa auf der Insel Mallorca erlebte. Das Buch, welches seine Lebensgefährtin George Sand über diese Zeit schrieb, ist heute Weltliteratur.
Kotaro Fukuma fühlt sich hier tief ein und durchdringt diesen Kosmos mit aller nur denkbaren Konsequenz. Sein Spiel kommt energetisch zupackend auf den Punkt, bewegt sich spontan und unberechenbar in einer großen Empfindungsskala, die sich nicht selten in erregten Fieberschüben kulminiert. Flexibilität, Rasanz, dynamische Konsequenz – all das ist bei Fukuma ein selbstverständliches Handwerkszeug, egal ob er kolossale Tongirlanden auftürmt, Gegensätze zuspitzt, oder wenn sein Spiel Eindrücke von Nähe und Ferne suggeriert. Mal erzeugt sein Legatospiel nocturnohafte Traumsequenzen. Mit intensiver Schwere macht er das Des-Dur-Prélude zur Trauermusik. Fukumas Potenzial steht hörbar bim Dienst einer höheren Sache.
Liedhafter und schwelgerischer geht Kotaro Fukuma in der anschließenden „Berceuse“ und dem „Contredanse“ zu Werke – das sind hymnische Apotheosen, die dem Hörer Gelegenheit zum Auftauchen, Innehalten und Durchatmen geben. In der Sonate Nr. 3 h-Moll stellt Kotaru Fukumas Spiel überzeugend jene Subjektivität heraus, mit die Chopin auch im formalen Rahmen einer Sonatenform zu bündeln weiß. Der Kopfsatz vermittelt zwischen frühklassischen Anspielungen und balladeskem Spielfluss. Kindliche Leichtigkeit wird im leichtfüßigen Scherzo frei. Fukuma lässt das Largo mit schweren Akkordschlägen regelrecht auftrumpfen, bevor er mit maximalem Sturm und Drang im Finalsatz die Zügel fahren lässt. Fukuma sorgt dafür, dass jeder Ton seine unmittelbare Lyrik aus sich selbst heraus entfaltet.
Kotaro Fukuma gibt am Mittwoch, 9. August im Pianosalon Christophori ein Konzertrecital. Hoch hinauf gehen soll es auf den „Olymp des Klavierspiels“ – mit Werken von Chopin, aber auch Schumann, Schubert, Liszt, Tschaikowsky sowie Kotaru Fukumas eigenen Bearbeitungen von Smetanas Moldau und Eric Saties „Je te veux“.
Kotaro Fukuma
Chopin
ARS-Produktion 2017
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