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Mélanie Adami und das musikalische Erbe ihrer Familie

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Von Guido Krawinkel.

Die Begeisterung ist ihr anzumerken: wenn man mit der Sängerin Mélanie Adami über die Lieder ihres Urgroßvaters Willy Heinz Müller spricht, dann kommt die Schweizerin nicht mehr aus dem Erzählen raus. Enthusiastisch wühlt sie in einem Karton, in dem der musikalische Nachlass des ehemaligen Pianisten und Kapellmeisters aufbewahrt wird, breitet flugs alles auf dem Boden aus, um ihre Schätze zu präsentieren.

Mélanie Adami und die Entdeckung einer musikalischen Schatzkiste

Die spannende Entdeckung, die sie da gemacht hat, lässt Adami nicht mehr los. Dabei war es mehr oder weniger der Zufall, der sie dazu gebracht hat. „Man könnte es so nennen. Als ich mal umgezogen bin, habe ich diese Kiste wiederentdeckt. Da hatte ich einfach alles reingeschmissen, was ich von meinem Urgroßvater besaß und habe das gar nicht weiter beachtet. Irgendwann schaue ich mir das mal an, habe ich gedacht. Dann kam Corona, es war im Lockdown. Und da im Frühjahr alles abgesagt wurde und wir gar keinen Job mehr hatten, dachte ich mir: jetzt könnte ich das mal eben anschauen. Und da haben sich dann die Manuskripte mit Liedern gefunden. Von denen hat tatsächlich niemand mehr gesprochen oder etwas gewusst. Das war eine echte Entdeckung. In dieser speziellen Zeit hatte ich auch den Raum dazu, mich den Noten und der dahinterstehenden Geschichte zu widmen.“

Langweilig war ihr deshalb nicht in dieser Zeit. Die Lieder sind in glasklarer Handschrift mit Tinte geschrieben, wurden seinerzeit auch im Schweizer Rundfunk gesendet. „4. August 1940 am Sonntagvormittag um 11:10 sendet das Studio Zürich einen Liederzyklus vertont durch den Staller Musiker und Komponisten Willi Heinz Müller nach Texten von Hugo Binder. Die Lieder gelangten durch die Zürcher Sopranistin Gisela Bosshard zum Vortrag, begleitet vom Komponisten am Klavier“ steht in einer Zeitungsnotiz. Spätestens da war Adami klar: sie hatte etwas ganz Besonderes entdeckt. Und ihr war auch klar: das muss ich aufführen. „Meine Ur-Urgroßmutter war schon Sängerin und mein Urgroßvater hat das komponiert. Deshalb war das für mich sehr persönlich, es hatte auch etwas mit mir zu tun. Ich habe jetzt die Verantwortung, damit etwas zu machen, dieses Gefühl hatte ich. So viele Zufälle kann es ja gar nicht geben.“

Willy Heinz Müller: Ein Leben für die Musik

Geboren 1900 in Wien, starb Willy Heinz Müller 1974 in St. Gallen. In den Jahren seines Wirkens hat er sich einen Ruf als engagierter und erfolgreicher Pädagoge und Dirigent erworben, der viele Menschen zur Musik geführt hat. „Willy Heinz Müller wurde in St. Gallen als Universalist geschätzt, der als Kapellmeister, Pianist, Violinist, Gitarrist, Theorielehrer, Komponist und hochgeschätzter Musikpädagoge bleibende Spuren hinterlassen hat“, schreibt die Musikwissenschaftlerin Dr. Verena Naegele in einer kurzen Biografie Müllers und führt einen Zeitzeugen an: „Seine ausgesprochene Musikalität und seine Fähigkeit, Anregungen und Wegweisungen für Suchende zu bieten, seine strahlende Lebensfreude trotz mancherlei Enttäuschungen und seine Ursprüngliche Anmut mit wienerischem Humor ebneten ihm den Weg zum Mitmenschen.“

Musik als Familientradition

Es nimmt also nicht Wunder, dass die Musik in der Familie zu liegen scheint und der Gesang hierbei in ganz besonderem Maße. „Das Singen hat mich schon früh begeistert. Schon als 5-jährige konnte ich die ganze Zauberflöte auswendig – und Otto Waalkes übrigens auch“, fügt Adami schmunzelnd hinzu. „Wir hatten nur drei Schallplatten, unter anderem Waalkes und die Zauberflöte. Die kannte ich alle auswendig.“ In bleibender Erinnerung sind Adami auch die Weihnachtskonzerte, die man jedes Jahr innerhalb der Familie veranstaltete. „Das hat Weihnachten einfach dazugehört. Man macht ein großes Konzert zu Hause und dann kommt erst der Baum und die Geschenke und alles. Da habe ich auf einmal wieder ganz viele Verbindungen gespürt, die mir vorher gar nicht mehr präsent waren.“

Adami und das Erbe ihres Urgroßvaters

Als es um schließlich das genaue Programm für ihre CD ging, erinnerte Adami sich an ein kleines Büchlein mit Unterschriften bekannter Musiker, das sie im Nachlass Müllers gefunden hatte. „Da hat er Unterschriften von Persönlichkeiten gesammelt, unter denen er gespielt hat, zum Beispiel Othmar Schoeck, Franz Lehar, Bruno Walter, Siegfried Wagner, Wilhelm Furtwängler und auch Richard Strauss.“ So konnte man genau sehen, was Müller inspiriert hat und so kam Adami zum Beispiel auch auf Franz Riess, von dem ebenfalls einige Lieder auf der CD zu hören sind. „Das sind Lieder, die ich auch hier gefunden habe. Das kennt man überhaupt nicht“ , sagt sie erstaunt. Ein Grund mehr, diese Lieder einzuspielen.

Das Echo auf Adamis Idee und auf die fertige CD war ausgesprochen positiv. „Langsam fangen die Leute an, mich zu fragen: Kommst du und machst einen Vortrag? Machst du ein Konzert“, erzählt sie. Als freischaffende Sängerin singt sie sonst gerne Oper wie Operette, arbeitet in der Musikvermittlung und hat in Winterthur eine eigene Konzertreihe begründet. Die Geschichte geht also weiter. Mittlerweile sind die Lieder auch im Druck erschienen. So wie es aussieht, wird das Liedschaffen von Willy Müller seine Urenkelin noch eine Weile beschäftigen.

Mélanie Adami | Sopran
Äneas Humm | Bariton
Judith Polgar | Piano
Vergessene Lieder, vergessene Liebe
Müller | Dohnányi | Ries | Hildach | Gotze
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Mélanie Adami discovers her great-grandfather’s musical treasure

Singer Mélanie Adami is thrilled by the discovery of her great-grandfather Willy Heinz Müller’s songs. During the lockdown, she found manuscripts with songs broadcast on Swiss radio. This discovery was very personal for Adami, and she decided to perform the works. Willy Heinz Müller, born in 1900 in Vienna and died in 1974 in St. Gallen, was a dedicated educator and conductor. His musical talent and ability to inspire people left lasting marks. Music seems to run in the family, as Adami was also passionate about singing from a young age. When she finally put together the program for her CD, she remembered a booklet with signatures of famous musicians she found in Müller’s estate. This inspired her to include works by Franz Riess. The response to Adami’s idea and the finished CD was very positive. The story continues, and the songs have now been published. Willy Heinz Müller’s musical legacy will accompany his great-granddaughter for a long time.

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