Von Stefan Pieper
Wer ein Instrument bis zur Konzertreife erlernt, tut dies mit dem potenziellen Ziel, damit vor Publikum aufzutreten. Aber dem hochbegabten und -motivierten Nachwuchs fehlt es an professionellen Auftrittsmöglichkeiten. Äußerst begehrt ist daher ein Platz bei den LGT Young Soloists. Die Erfolgsgeschichte dieses von Alexander Gilman und Marina Seltenreich im Jahr 2013 gegründeten Streicherorchesters mutet atemberaubend an. Kaum ein anderes Jugendorchester mit Musikern im Alter zwischen 12 und 23 Jahren konnte in wenigen Jahren so viel internationale Auftrittserfahrung sammeln. Ebenso markiert die Philosophie des Orchesters ein Alleinstellungsmerkmal: Jeder der jungen „Soloists“ ist Orchestermitglied, Kammermusiker und Solist zugleich. Eine eindrückliche Kostprobe dieser Vielfalt gab es am 1. November im Düsseldorfer Robert-Schumann-Saal zu erleben – im Rahmen einer Welttournee, die bis nach Hongkong führt!
In Düsseldorf strahlt auf Anhieb viel dynamischer Kollektivgeist aufs Publikum. Musiziert wird im Stehen und ohne Noten, zumindest bei einigen Nummern. Orchesterleiter Alexander Gilman spielt am ersten Pult. Gemeinsam ist allen der hellwache Blickkontakt untereinander, in möglichst direkter Kommunikation mit dem Publikum. Das alles klingt transparent genug, so dass die jeweilige Individualität der einzelnen Spieler heraushörbar bleibt. Als zündender, kurzweiliger „Opener“ beim Düsseldorfer Konzert ist die „Sankt Paul`s Suite“ für Streichorchester von Gustav Holst für so etwas prädestiniert – mit ihren Tempo- und Farbwechseln und knackigen Impulsen und Sforzati.
Solisten sind in diesem Orchester ein Teil des „großen Ganzen“. Daraus ergeben sich Führungsqualitäten ganz von selbst. Im Idealfall vom Solisten ausgehend, machen sie den Dirigenten überflüssig. Besonders eindrücklich demonstriert dies beim Düsseldorfer Konzert der 16 Jahre junge Cellist Philipp Schupelius. Allein, wie selbstbewusst er auf die Bühne kommt und „sein“ eigenes Stück anmoderiert, stellt klar, dass er auch interpretatorisch nichts anbrennen lässt, um dann mit mächtiger Präsenz, satter Tongebung und ganzem Körpereinsatz sämtliche virtuosen Herausforderungen der haarsträubend schweren Polonaise von David Popper zu meistern. Damit hebt der junge Cellist auch mal eben die ganze Dynamik des Orchesters spontan auf einen anderen Level.
Sie alle haben ihre individuellen Qualitäten, die immer mehr wachsen, je mehr Konzerterfahrung sich anhäuft – das ist hör- und spürbar! Von viel emotionaler Ehrlichkeit durchdrungen ist das Violaspiel von Anuschka Pedano, dafür gibt Max Bruchs Romanze Opus 85 ja auch in jedem Moment Gelegenheit. Richtig „sportlich“ wird es, als der junge Kontrabassist Dusan Kostic und der Geiger Ludwig Balser in einen edlen Wettstreit miteinander geraten. Giovanni Bottesinis „Gran Duo Concertante“ für Violine und Kontrabass und Streichorchester bringt wahrhaft circensische spielerische Bravourleistungen in einen Dialog, der heitere Gestus der Komposition setzt dabei auf einen fröhlich-verspielten Spaßfaktor. Denn um genau den geht es, um junge Musikerinnen und Musiker mitzureißen und den Funken aufs Publikum überspringen zu lassen.
Die amerikanisch-koreanische Geigerin Esther Yoo begegnet beim Düsseldorfer Konzert als Gastsolistin mit ihrem dynamisch ausbalancierten, manchmal etwas unterkühlt daherkommenden Spiel auf Augenhöhe dem Ensemblemitglied David Nebel in einem charmanten Doppelkonzert für zwei Violinen und Streichorchester aus der Feder von Michael Fine – übrigens eine Europapremiere!
Aus dem westfälischen Minden stammt eine andere, hochmotivierte Interpretin bei den LGT Young Soloists, von der noch viel zu erwarten ist: Christa-Maria Stangorra setzt neben dem herausragenden Charisma des jungen Cellisten das zweite Highlight an diesem Konzertabend. Alberto Ginasteras „Pampanea“ ist der denkbar beste Stoff, um brillantes, leidenschaftliches Solospiel mit der enthusiastischen Spielkultur des Orchesters zu synchronisieren.
Musik aus populären Filmen auf die Konzertpodien zu bringen, ist ein angesagtes Thema. Ein aufwühlender Klassiker in dieser Hinsicht ist das Titelstück aus Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“. Esther Yoo und die LGT Young Soloist gehen mit einem solchen Sujet sehr verantwortungsbewusst um, wenn sie John Williams ergreifende Melodie aus dem Film denkbar kitschfrei, elegant und fein nuanciert zum Leben erwecken – und damit diesem Stück zu einem ernsten Thema alle Würde geben, die dieses braucht. Sprühende, ansteckende, gemeinsame Musizierfreude mit hohem Spaßfaktor schließt dies bei den LGT Young Soloists keineswegs aus.
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