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Fesselnde „Kát‘a Kabanová“ begeistert in Liège

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Erstmalig für die International Opera Awards in der Kategorie „Opera Company“ nominiert, feiert das Publikum eine berührend fesselnde „Kát‘a Kabanová“ von Leoš Janácek an der l’Opéra Royal de Wallonie-Liège. Von Barbara Röder.


Das Regieteam der Regisseurin Aurore Fattier verortet die russische Kleinstadt an der Wolga, in welcher die Tragödie Kát’as ursprünglich spielt, nämlich in den 1860er-Jahren, in die Gegenwart.

Bühnenbild und Kostüme als Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Die Bühne, konstruiert von Marc Lainé und Stephan Zimmerli, ist simpel und versetzt das Geschehen in eine Zeitlosigkeit und einen seltsamen, fernen Schwebezustand. Findet alles in der imaginierenden Seelenkammer Kát‘as statt?

Links fällt der Blick auf einen Steg am Ufer der Wolga, auf Birkenbäume mit sich im Wind kräuselnden Blättern. Dahinter liegt ein grüner Hügel. Rechts befindet sich das häusliche, gediegene Ambiente der Kabanovás, symbolisiert durch weiße Stühle mit Tisch und einem Ehebett. Das Kleiderwerk von Prunelle Rulens spiegelt das alte traditionelle Russland und die Jetztzeit wider. So ist für den Zuschauer wiederum ein Changieren zwischen den Daseinsebenen Kát’as möglich. Videos im Hintergrund zeigen die dörfliche Weite, die Wolga oder Close-Ups der Protagonisten. Wir blicken so direkt in deren Mimik.

Kát‘a Kabanová: innerer Kampf und die Macht der Sehnsucht

Kát’as ist eine träumerisch Verliebte, die sich ihren Sehnsüchten nach Liebe verfängt. Die Fallstricke um sie herum, die sie flankieren, spürt sie. Innerlich zerbrochen durch die Demütigung Kabanichas, ihrer despotisch agierenden und bigotten Schwiegermutter, stürzt sie sich in eine Affäre mit Boris.

Ihr Ehemann Tichon ist willensschwach, seiner Mutter hörig. Ihr Geliebter Boris ohne Rückgrat, seinem Onkel Dikój ausgeliefert, der diesen nach Sibirien schickt. Eine tiefe Schuld verleitet Kát’a während eines tobenden Sturms ihren Ehebruch vor der schweigenden, gottesfürchtigen Gemeinde zu gestehen.

Kát’a, auch Katja genannt, ist aber auch eine recht ängstliche, ja scheue keineswegs mutige Frau. Gefangen in einer lieblosen, tristen Ehe mit Tichon, seelisch drangsaliert von dessen Mutter Marfa, Kabanicha gerufen, erträumt sie sich das Glück. Eines, das behütet, wie ihre Kindheit und hoffnungsvoll schwärmerisch wie ihre Jugend ist. Symbolisch dargestellt durch Personen-Dopplungen – zwei Mädchen und zwei Teenagerinnen schweifen unbekümmert ins Spiel oder ins Handy vertieft umhe. Es sind Katja und ihre Busenfreundin Vavara.

“Sie spricht zu den Blumen, sie spricht zu den Vögeln-die Blumen sollen sich zu ihr herabneigen, die Vögel ihr das letzte Liebeslied singen…“ Leoš Janácek, 1928 als Widmung für seien große Liebe Kamila auf die Gesangspartitur der “Kát‘a Kabanová“.

Tragische Liebe und innere Zerrissenheit

Was bestimmt, bestimmte Kát‘as Alltag? Was, in der von ihr empfundenen, sie beherrschenden emotionalen Ödnis, treibt sie in den Suizid? Was steuert ihr Handeln, dem wir gebannt zuschauen, zuhören?

Getrieben aus innere Not heraus, einmal wahrgenommen zu werden als Mensch, sich als Liebende zu fühlen und die Leidenschaft spüren zu wollen, lässt Katja sich zum Ehebruch hinreißen. Dieses fatale, von der ungebändigten Sehnsucht initiiertes Vergehen wendet sich gegen sie. Kát‘a spürt zwei Seelen, zwei Herzen in ihrer Brust. Nur der Suizid erlöst sie von einer tief empfundenen Seelenpein. Im Tod kann sie den Geschmack der Freiheit und das unendliche Glücksempfinden kulminierend in ihrer Liebessehnsucht inklusive Erfüllung zu Boris auf ewig konservieren. Zudem muss und will Kát‘a ihrer beengenden Verlorenheit und ihrem vergeblichen Hoffen entkommen. Sie muss sich selbst auslöschen, um zu leben, aufzuleben! Ihr Sprung in die Wolga ist unvermeidbar.

Symbolische Darstellung und Introspektion

Dies sind höchst tragische, emotional anrührende Gefühlskonstellationen, die im musikdramatischen Kammerspiel, das die Regisseurin Aurore Fattier sehr geschmackvoll, mit brillanter Introspektion ins Heute zu projizieren weiß. Fattier ist eine Schauspielregisseurin, Kát’a ist ihre erste, sehr gelungen Opernregie. Mit scharfem Verstand und kluger Personenführung weiß sie die menschlichen Abgründe und herzzerstörerischen Augenblicke auf die Bühne zu bannen. Alle Figuren werden lautmalerisch von Janácek gezeichnet, modelliert und charakterisiert zu echten menschlichen Individuen. Fattier zeigt, dass Sehnsucht eine Sucht ist, die sucht. Und, dass Liebe mutig macht, dass zu lieben verhängnisvoll, tödlich sein kann. Fatal ist! Das kennen wir. Das berührt, das bewegt. Diese kannte auch Leoš Janácek.

Geprägt hat ihn die unerfüllte Liebe zur verheirateten Kaufmannsfrau Kamila Stösslová, die er 1917 kennenlernte. Diese von Liebessehnsucht geprägte Zuneigung bestimmte Janáceks Kreativität. Die Uraufführung seiner sechsten Oper Kát‘a Kabanová 1921 am Nationaltheater Brünn war ein beachtenswerter Erfolg. 1919 begann Janácek „Das Gewitter“ (Boure) des russischen Poeten Ostrovski zu vertonen und ebenso das Libretto zu schreiben. Janácek war Mitbegründer des russischen Zirkels in Brünn, ein Liebhaber der russischen Kultur, die ihn inspirierte.

D. CHEBLYKOV – N. SURGULADZE – A. HOVHANISSYAN © J Berger_ORW

Gesangliche und darstellerische Leistungen

Anush Havhannisyan agiert madonnenhaft subtil und betörend. Sie ist eine glaubwürdige Kát‘a Kabanová mit einem anfangs zurückhaltenden Sopran, der durch scheue Gesten den Charakter der Figur betont. Sie verkörpert eine Kát’a, die dem Gück ihrer Jugend leidend nachtrauert. Anton Rositskiy singt den einfühlsamen und zugleich willensschwachen Boris mit tenoralem Glitzern und Schmelz. Die Marfa (Kabanicha) von Nino Surguladze ist grandios! Böse, herrisch mit süffisantem mezzoralem Despotismus überzeugt sie brillant. Marfas Partner in Crime und bei sexuellen Ausschweifungen ist Dikój. Das Baritonschwergewicht Dmitry Cheblykov zeigt einen stimmlich hoch aggressiven und tonschön finsteren Dikój.

Der Tenor Magnus Vigilius singt einen begnadet ausdruckstarken Tichon, der mit seinem lyrisch leuchtenden Tenor besticht. Das muntere, glücklichere Liebespaar Váňa und Varvara geben mit zuckersüßem mährischen Verve Jana Kurucova und Alexey Dolgov. Eine Traumbesetzung! Daniel Miroslav (Kuligin) und Anne-Lise Polchlopek (Glaša / Feklouša) und der intonationsstarke Chorergänzen das hervorragende Ensemble.

Dirigent und musikalische Interpretation

Dirigent Michael Güttler bereitet den komplexen, hochdramatisch und zugleich aufbäumenden naturalistischen Sound dieser belgischen Ausnahmeproduktion „Kát‘a Kabanová“. Die Partitur ist durchwoben von sanften, böhmisch lyrischen Volksmusikklängen und beißend messerscharfen hohen Streicherfetzen, bedrohlichen Pauken-Schicksalsdrohungen oder tirilierenden Holzbläsergluckern. Denn der Tscheche Leoš Janácek hat, wie der ungarische Komponist Béla Bartók, das Volksliedgut seiner mährischen Heimat notiert, gesammelt und als Sprachmelodien in seine Opern hineingeheimnisst

Der frenetische Applaus am Premierenabend bestätigt das internationale Profil dieser kreativen Opernkompanie, die im Januar 2025 mit Richard Wagners Blockbuster „Tristan und Isolde“ alle Augen und Ohren auf sich ziehen wird. Bravo und großes Kompliment!

Opéra Royal de Wallonie-Liège
Place de L’Opéra
4000 Liège
Belgien



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Captivating ‘Kát’a Kabanová’ in Liège

Nominated for the International Opera Awards in the „Opera Company“ category for the first time, a captivating „Kát’a Kabanová“ by Leoš Janácek celebrates the start of the season at the l’Opéra Royal de Wallonie-Liège. The directing team under Aurore Fattier relocates the Russian small town on the Volga to the present. The stage, constructed by Marc Lainé and Stephan Zimmerli, creates a timeless atmosphere. On the left, one sees a jetty on the Volga River, and on the right, the domestic setting of the Kabanovás.

Kát’a’s inner conflict and desires are highlighted through the stage design and background videos. Her husband Tichon is weak-willed, her lover Boris spineless. Tormented by her despotic mother-in-law, Kát’a engages in an affair and confesses her infidelity during a storm. Internally torn, Kát’a ultimately finds relief only in suicide. Anush Havhannisyan as Kát’a, Anton Rositskiy as Boris, and Nino Surguladze as Kabanicha shine in their roles. Conductor Michael Güttler leads the orchestra through a complex and emotional score. The applause on opening night confirmed the international success of this production.

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