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Die faszinierenden Werke von Caspar David Friedrich und ihre zeitlose Anziehungskraft

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Ausstellung

Von Barbara Hoppe.

Die Faszination der Bilder von Caspar David Friedrich lässt sich kaum in Worte fassen. Fragt man Dr. Markus Bertsch, Leiter der Sammlung 19. Jahrhundert der Hamburger Kunsthalle, dann erkennt man sie auch vielmehr am Schweigen. „Wir haben bei uns in der Kunsthalle drei werkmonographische Räume: Einen Liebermann-Saal, einen Runge-Saal und einen Saal mit Werken von Caspar David Friedrich. Gut besucht sind sie alle, aber nur bei Caspar David Friedrich beobachten wir, dass die Menschen auf den Bänken sitzen und sich zehn Minuten lang in ein Bild hineinversenken. Ganz still sitzen sie dann da, sprechen nicht miteinander, schauen nicht aufs Handy“, staunt Markus Bertsch immer wieder aufs Neue. „Caspar David Friedrich gelingt es, den Betrachter sehr stark in seine Bildwelten einzubeziehen. Mit seinen Rückenfiguren hat er es verstanden, das Phänomen des Sehens in der Natur zu einem eigenständigen Thema zu machen“, führt der Kurator aus.

Caspar David Friedrich (1774–1840): Wanderer über dem Nebelmeer, um 1817
Öl auf Leinwand, 94,8 x 74,8 cm
Dauerleihgabe der Stiftung Ham­burger Kunstsammlungen © SHK/Hamburger Kunsthalle/bpk
Foto: Elke Walford

Dieses Reflektieren der Natur durch einen Menschen in der Natur bildnerisch darzustellen war Anfang des 19. Jahrhunderts neu – und traf den Nerv der Zeit. Grund genug für die Hamburger Kunsthalle, den Fokus ihrer Jubiläumsausstellung auf dieses Thema zu legen. Immerhin wurden – zumindest anfangs – Caspar David Friedrich diese Bilder fast aus den Händen gerissen. Viele Herzogtümer, Friedrich Wilhelm I. und sogar der russische Zar kauften die Werke des Malers und steigerten seine Popularität. Und das, obwohl Caspar David Friedrich an der Kopenhagener Akademie im Zeichnen ausgebildet wurde. „Die Technik der Ölmalerei scheint er sich überwiegend im Selbststudium angeeignet zu haben“, vermutet Markus Bertsch, doch bis heute sei dieses Rätsel noch nicht vollständig gelöst. So zeigt die Hamburger Jubiläumsschau auch nicht nur rund 60 seiner Ölgemälde, darunter „Der Mönch am Meer“, „Das Eismeer“, die „Kreidefelsen auf Rügen“ oder „Der Wanderer über dem Nebelmeer“, sondern auch etwa 100 seiner Zeichnungen. Gerade letztere seien absolut faszinierend, findet Markus Bertsch, und weit mehr als nur Vorstudien von Gemälden. „Seine Zeichnungen müssen autonom betrachtet werden, in denen der Maler sein subjektives Empfinden über Räume und Gegenstände, aber auch über verschiedene Wahrnehmungsformen ausdrückt.“ Da frage man sich schon manches Mal, was er da eigentlich mache, wenn er eine Baumwurzel aus allen vier Himmelsrichtungen zeichne und ihren Übergang in die Erde, sodass man fast eine dreidimensionale Ansicht erhalte.

Caspar David Friedrich (1774–1840): Selbstbildnis mit aufgestütztem Arm, um 1802
Feder in Braun über Bleistift, 26,7 x 21,5 cm
Hamburger Kunsthalle, Kupferstich­kabinett © Hamburger Kunsthalle / bpk
Foto: Christoph Irrgang

Im Fokus stehen dabei Fragen wie „Was hat der Künstler als Zeichner in der Natur erlebt?“, „Was für ein Bild möchte er uns mitgeben?“, „Wie stehen wir der Natur gegenüber, wie öffnen wir uns für sie?“ „Natürlich ergibt sich trotz dieser Fragestellung auch eine Retrospektive“, betont der Kurator. Insgesamt erwarten den Besucher knapp 200 Werke von Caspar David Friedrich und rund 30 weitere Gemälde von Zeitgenossen. Ausgewählte Werke von Carl Blechen, Carl Gustav Carus, Johan Christian Dahl, August Heinrich oder auch Georg Friedrich Kersting sollen den Jubilar nicht nur thematisch umrahmen, wenn es beispielsweise um dasselbe Motiv oder ähnliche Kompositionen geht, sondern auch das Kontrastierende zwischen den Werken herausstellen. Eine ganze Etage mit 12 Kapiteln hat das Haus diesem besonderen Blick auf Caspar David Friedrich und seinen Zeitgenossen gewidmet.

Ganz bewusste habe man sich hingegen dafür entschieden, die zeitgenössischen Positionen der Ausstellung räumlich von den alten Werken zu trennen. Rund 20 Künstler gehen vom Werk Caspar David Friedrichs aus, um sich mit dem heutigen Verhältnis von Mensch und Natur auseinanderzusetzen. „Es war uns ganz wichtig, hier nicht Friedrich-Klone zu zeigen, sondern künstlerische Denkanstöße für unseren eigenen Blick auf die Welt zu geben“, erklärt Markus Bertsch die Entscheidung, diese Werke in die Schau aufzunehmen. So zeige der Farbkreis von Olafur Eliasson beispielsweise exakt die Pigmente des Friedrich’schen „Eismeeres“, aber in einer sehr abstrahierten Komposition. Fotografien, Videos und raumgreifende Installationen laden auf rund 70 Quadratmetern ein, den künstlerischen Bogen aus dem 19. Jahrhundert in unsere Zeit zu schlagen.

Caspar David Friedrich (1774–1840): Das Eismeer, 1823/24
Öl auf Leinwand, 96,7 x 126,9 cm
Hamburger Kunsthalle © Hamburger Kunsthalle / bpk
Foto: Elke Walford

Helfen soll dabei auch ein Webportal, das mit einer multimedialen Aufbereitung andere Zugangsmöglichkeiten zum Werk von Caspar David Friedrich schafft, aber auch ein kunstinteressiertes Publikum ansprechen soll, das vielleicht kein so dezidiertes Interesse an der Kunst der Romantik hat. Entstanden ist es in Kooperation mit der Alten Nationalgalerie in Berlin und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Beide Häuser werden 2024 thematisch eigene Caspar David Friedrich – Ausstellungen zeigen und damit Teil des Caspar David Friedrich – Festivals aller drei Museen sein.

CASPAR DAVID FRIEDRICH. Kunst für eine neue Zeit
15. Dezember 2023 bis 1. April 2024

Hamburger Kunsthalle | Glockengießerwall 5 | 20095 Hamburg

Der Text erschien ebenfalls in der Kulturbeilage “Kulturzeit” der Berliner Morgenpost im November 2023.

Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.

The fascinating works of Caspar David Friedrich and their timeless allure
The fascination with the paintings of Caspar David Friedrich is difficult to put into words. Dr. Markus Bertsch, Head of the 19th Century Collection at the Hamburger Kunsthalle, recognizes this fascination more in the silence of the observers. In the Kunsthalle, there are three monographic rooms dedicated to various artists, including a hall with works by Caspar David Friedrich. Bertsch observes that people, when viewing Friedrich’s works, not only visit the space but immerse themselves intensely in the images. The back figures in Friedrich’s paintings allow the phenomenon of seeing in nature to become an independent theme.

The visual representation of a person reflecting on nature was a novel concept in the early 19th century and struck a chord with the times. This theme takes center stage in the anniversary exhibition at the Hamburger Kunsthalle. Although Caspar David Friedrich was trained in drawing at the Copenhagen Academy, he mostly self-taught the technique of oil painting. The exhibition showcases not only around 60 oil paintings by Friedrich, including famous works like „The Monk by the Sea,“ „The Sea of Ice,“ „Chalk Cliffs on Rügen,“ and „Wanderer Above the Sea of Fog,“ but also about 100 of his drawings.

Friedrich’s drawings are more than just preliminary studies for paintings; they express his subjective feelings about spaces, objects, and various forms of perception. The exhibition raises questions such as: What did the artist experience in nature as a draftsman? What image does he want to convey to the viewer? How should we relate to nature and open ourselves to it? The jubilee show comprises nearly 200 works by Caspar David Friedrich and about 30 paintings by contemporaries like Carl Blechen, Carl Gustav Carus, Johan Christian Dahl, August Heinrich, and Georg Friedrich Kersting.

The institution has dedicated an entire floor with 12 chapters to this unique perspective on Caspar David Friedrich and his contemporaries. The exhibition not only highlights thematic connections between the works but also emphasizes the contrasts among them. A deliberate decision was made to spatially separate contemporary positions from the old works. About 20 artists draw inspiration from Friedrich’s work to explore the current relationship between humans and nature. The exhibition doesn’t showcase imitations of Friedrich but provides artistic stimuli for a contemporary view of the world.

A web portal, created in collaboration with the Alte Nationalgalerie in Berlin and the Staatliche Kunstsammlungen Dresden, offers multimedia access to Friedrich’s work. It caters not only to an art-interested audience with a specific interest in Romanticism but also aims to reach a broader audience. The portal seeks to bridge the artistic gap from the 19th century to our time. In 2024, the Alte Nationalgalerie in Berlin and the Staatliche Kunstsammlungen Dresden will present thematic exhibitions on Caspar David Friedrich, becoming part of the Caspar David Friedrich Festival involving all three museums.

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