Dekadent, böse, grandios.
Rezension von Barbara Hoppe.
Als Queen Anne 1702 den englischen Thron besteigt, tobt der spanische Erbfolgekrieg. Fünf Jahre später kämpft das Land gegen Frankreich. Die Schlachten verschlingen viel Geld, um das im Parlament heftig gestritten wird. Doch die Königin ist gebrechlich und labil. Gicht und der Verlust von 17 Kindern haben sie an den Rand ihrer Kräfte gebracht. Politisch gelenkt wird sie von ihrer Oberhofmeisterin, Sarah Churchill, Herzogin von Marlborough. Die Frauen kennen sich von Kindesbeinen an, sind eng miteinander vertraut. Eine Freundschaft, die auch im Bett fortgeführt wird.
Es ist ein Übereinkommen, das mit Argusaugen beobachtet wird. Denn während an der Front Soldaten sterben, wird im Palast die Schlacht um die Gunst der Königin geschlagen. Als Abigail Masham an den Hof kommt, Kusine von Sarah, beginnt ein Machtkampf unter den Frauen. Denn Abigail verlor dank eines spielsüchtigen Vaters alles, und muss sich nun als Dienstmagd verdingen. Als die Politik Sarah zunehmend fordert, weiß Abigail deren Abwesenheit geschickt auszunutzen. Sie gewinnt das Vertrauen der Königin. Und während die eine gegen den Abstieg kämpft, verteidigt die andere ihre herausragende Rolle und ihren Einfluss. Die Königin hingegen genießt den Kampf ihrer Gespielinnen um ihre Gunst zunehmend.
Giorgos Lanthimos‘ Drama ist für nicht weniger als zehn Oscars nominiert (bester Film, beste Regie, bestes Originaldrehbuch, bester Hauptdarstellerin, zweimal beste Nebendarstellerin, beste Kamera, bester Schnitt, bestes Szenenbild, beste Kostüme) und für jede Kategorie hätte er ihn verdient. Von Spielfreude der drei Frauen zu sprechen, wäre untertrieben. Olivia Colman (Queen Anne), Rachel Weisz (Sarah Churchill) und Emma Stone (Abigail Masham) zeigen höchste Schauspielkunst. Ihre Mimik sagt mehr als tausend Worte. Die wiederum sind messerscharf. Selten hat man so viel Bösartigkeit hinter freundlichen Worten und einem Lächeln gesehen. Keine ist, was sie vorgibt zu sein. Nicht mal die Königin, die hinter all ihrer Labilität ihren eigenen Kopf bewahrt.
Grandios ist auch die Ausstattung, angefangen von den ausladenden Kleidern, den Perücken und dem vor allem bei den Männern grotesken Make-up, über die opulenten Gemächer bis hin zu den dunklen Fluren. Lanthimos verzichtet auf künstliches Licht und setzt gekonnt Kerzen ein, die dem Film eine eigene, authentische Aura verleihen. Die hervorragende Kameraführung, häufig mit der Fischaugenlinse gefilmt, unterstreicht das Bizarre, Verzerrte, kurz: den Irrsinn des englischen Hofs. Die Musik unterstreicht die Spannungen und steht auch immer wieder in Kontrast zu den Ränke- und Dekadenzspielen bei Hofe. Atemlos verfolgt man die Intrigen, hinter denen der Krieg und die Männer weit zurückbleiben. Was zählt ist einzig und allein die Macht, Einfluss auf die Königin auszuüben. Und dazu ist jedes Mittel recht und wenn es bedeutet, das Bett mir ihr zu teilen. Perfide, schmeichlerisch, und immer mit großer Schauspielkunst
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