Rezension von Barbara Hoppe.
Das schmale Büchlein ist wohl das, was man ein Glitzern auf Schnee nennen kann. Zart und fein kommt die Geschichte daher, ein Aufblinken, das schließlich wieder verschwindet, uns aber in der Zwischenzeit einen reizenden Zwischenaufenthalt in der Vergangenheit beschert hat.
Der Schweizer Künstler Peter nimmt das Stipendium einer Stiftung in Vermont an. Zwei Monate darf er dort seiner Kunst nachgehen, Kost und Logis sind frei. Auf seinem Weg von New York in die einsame Gegend, aber auch vor Ort, kehren die Erinnerungen zurück. Vor über 30 Jahren lernte er in New York Marcia kennen. Für kurze Zeit waren sie ein Paar, eigenartig verbandelt mit David und Michelle, aber nicht wirklich glücklich. Marcia blieb ein ewiges Geheimnis für Peter, er hat sie nie wiedergesehen. In Vermont jedoch, in der Stiftung, die Marcias Vater gegründet hat, kehren Peters Gedanken zu diesem kurzen Abschnitt seines Lebens zurück, zumal er in der Schublade seines Zimmers ein Manuskript über diese Zeit findet, verfasst von David. Ein Fotoband von Marcia komplettiert ein Bild, das dennoch unvollständig bleibt. Kurz vor Weihnachten setzt der Schneefall ein. Die Welt versinkt in Schweigen, die Stipendiaten verlassen das Haus, um zu ihren Familien zu fahren. Auch Peter kehrt zurück. Ein bisschen reicher an Erinnerungen, ein bisschen reifer und souveräner dem eigenen Leben gegenüber.
Peter Stamm gelingt ein sensibler und zutiefst menschlicher Blick auf ein Leben, in dem viele Begebenheiten auf der Durchreise sind. Sie tauchen auf und verschwinden. Manchmal denken wir an sie zurück, ohne ihnen nachzutrauern und doch machen sie unser Leben aus.
Peter Stamm
Marcia aus Vermont
S. Fischer Verlag, Frankfurt 2019
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