Von Barbara Hoppe.
Es sah alles nach einem einfachen Job aus. Und nach einem, der so gar nichts mit dem Agentenleben zu tun hatte, das Max Rushmore vor einem knappen Jahr noch führte. Sein Arbeitgeber, die CIA, hatte nämlich unter ihrem Personal ordentlich aufgeräumt. Und so war Max von heute auf morgen vom Mitarbeiter der Agency in einem beruflichen Auffangbecken für Ex-Agenten gelandet. Sein neuer Arbeitgeber heißt nun Force One, zahlt weniger, es gibt keine Sozialleitungen und eben Aufträge wie jenen, für den Max nun von Washington D.C. über Warschau nach Odessa flog. Im Auftrag einer Gruppe von EU-Parlamentariern soll er in der südukrainischen Stadt an einer Konferenz zum Thema „Informationskrieg“ teilnehmen.
Während die Hitze Odessa im Griff hat, stellt Max schnell fest, dass nicht nur das Opernhaus mit seinen kunstvoll verzierten Fassaden immer noch „schön wie eine Hochzeitstorte“ ist. Auch das Personal vor Ort hat sich kaum geändert. Noch am Flughafen trifft er auf seine ihm ähnlich abgehalfterten Kollegen Alan Trilby und Albu, und es dauert nicht lang, bis ihn der Leiter des Moskauer CIA-Büros, Jim Dunkirk, in einem odessitischen Hinterzimmer einbestellt. Nachdem man die Hand des Gouverneurs von Odessa in einem Fass voll Sonnenblumenöl gefunden hat, obwohl der sich immer noch bester Gesundheit erfreut, brennt in der Hafenstadt buchstäblich die Luft. Max soll sich zurückhaltern, doch als er einen abgetrennten Zeh findet, pfeift er auf die Konferenz und seine Vorgesetzten und beginnt, eigenständig zu ermitteln.
Was Sally McGrane nun aus ihrer Feder zaubert, ist ein erzählerisches Panoptikum aus Korruption und Mafia, gepaart mit krimineller Wissenschaft und garniert mit aktuellen Bezügen. Die Anklänge an den ehemaligen georgischen Staatspräsidenten Micheil Saakaschwili sowie den früheren ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und seinem stärksten Herausforderer, „der Star einer TV-Serie über einen Normalo, der rein zufällig Präsident der Ukraine wird“ sind nicht zu überlesen. Auch der schwelende Konflikt zwischen der Ukraine und Russland zieht sich als roter Faden durch den Spionageroman. Man merkt: Sally McGrane kennt als Journalistin, die in Russland und der Ukraine gearbeitet hat, ihr Metier. Mit „Die Hand von Odessa“ gelingt ihr nicht nur ein flotter, spannender und vielschichtiger Spionagethriller, sondern auch ein kenntnisreicher Einblick in die Stadt Odessa, die neben so kuriosen Denkmälern wie einer Darth-Vader-Statue, auch einen tiefen Sumpf aus Korruption und Gewalt ihr eigen nennt. Dass sie die Vielzahl der Handlungsstränge am Ende kunstvoll zusammenführt, ohne dass man je den Überblick verliert und sogar ein bisschen schmunzeln kann, macht den Roman zu einem mehr als unterhaltsamen Lesevergnügen.
Sally McGrane
Die Hand von Odesse
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Dieser Artikel erschien am 10. Dezember 2022 in DAS WOCHENENDE! der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frankfurter Neuen Presse und Frankfurter Rundschau.
Sally McGrane: „The hand from Odessa“
Max Rushmore, a former CIA agent, is now employed by Force One, a catch-all for ex-agents. He travels to Odessa to attend a conference on „information warfare“. But he soon becomes involved in a case of corruption and violence when the governor’s severed hand is found in a barrel of sunflower oil, although he still has both hands. Max decides to investigate on his own and comes across links to the mafia and criminal science. The novel, written by Sally McGrane, offers a thrilling insight into Odessa and the conflict between Ukraine and Russia. With an artful bringing together of the storylines, the novel manages to be entertaining and make the reader smile.
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Dieser Artikel erschien am 10. Dezember 2022 in DAS WOCHENENDE! der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frankfurter Neuen Presse und Frankfurter Rundschau.