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Nathan Thrall: Der Nahostkonflikt in bewegenden Schicksalen

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Literatur

Nathan Thralls „Ein Tag im Leben von Abed Salama“ ist mehr als nur ein Buch – es ist ein Mahnmal für alle Opfer des Konflikts und ein Plädoyer für mehr Verständnis und Mitgefühl. Thrall zeigt uns, dass hinter jeder Schlagzeile ein individuelles Schicksal steht und dass jeder einzelne Mensch das Recht auf ein Leben in Frieden hat. Zurecht hat der Autor dafür den diesjährigen Pulitzer Preis bekommen. Von Barbara Hoppe

Man weiß schon vorher, worauf man sich einlässt, wenn man „Ein Tag im Leben von Abed Salama“ in die Hand nimmt. Was man zu lesen bekommt, ist eine zutiefst tragische Geschichte: Der fünfjährige Milad aus Jerusalem, Sohn von Abed Salama, kommt bei einem Busunfall ums Leben. Das Unglück geschieht vor den Toren Jerusalems, an einer Stelle, wo sich weder Israelis noch Palästinenser richtig zuständig fühlen. Und es geschieht in einem politischen System, das schnelle Hilfe unmöglich macht. Und doch gelingt es Israelis und Palästinensern, an die Unfallstelle zu gelangen. Verzweifelt versuchen sie, die Kinder aus dem Feuerinferno zu retten. Ihre Geschichten erzählt Nathan Thrall.

Mehr als nur eine Tragödie

Es sind Geschichten, die wahr sind. So wahr, wie auch das Busunglück geschehen ist. Ein Unglück, dass nie hätte geschehen dürfen. Zu alt war das Gefährt, zu schlecht das Wetter, zu verantwortungslos der Sattelschlepperfahrer, der den Bus mit den Kindern schließlich rammte. Nathan Thrall sprach mit Eltern und Verwandten der Kinder, mit Helfern und Krankenhauspersonal. Es sind ihre zutiefst persönlichen Erzählungen, durch die es Nathan Thrall gelingt, die komplexen Zusammenhänge des israelisch-palästinensischen Konflikts darzustellen und nachzuempfinden, was ein Leben als Palästinenser im Westjordanland bedeutet. Dabei verzichtet er auf Pathos und Sentimentalität. Stattdessen lässt er die Vielschichtigkeit der Perspektiven für sich sprechen und findet dafür einen ebenso gefühlvollen wie präzisen Schreibstil, der eine große emotionale Kraft entfaltet.

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Cover: Pendragon Verlag

Ein Buch, das zum Nachdenken anregt

Es ist genau diese Mischung aus unfassbarer Tragik und nüchterner Sachlichkeit, die tief unter die Haut geht. Es ist wohl auch Nathan Thralls Expertise für den Nahen Osten zu verdanken, dass sein Roman ohne Schuldzuweisungen auskommt. Als amerikanischer Jude, der in Jerusalem lebt, erfährt er täglich die harte Realität im israelisch-palästinensischen Konflikt. Die Geschichten, die man ihm erzählt hat, sind nicht nur Geschichten von Menschen, die an ihrer Trauer zerbrochen sind. Sie und ihre Lebensträume zerbrachen auch an der Komplexität des Konflikts zwischen Israel und Palästina. Ein Konflikt, das wird mit jeder Zeile dieses erschütternden Romans deutlich, der keine einfache Lösung hat.

Nathan Thrall
Ein Tag im Leben von Abed Salama
a.d. Engl. von Lucien Derijck
Pendragon Verlag 2024
bei amazon
bei Thalia

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Nathan Thrall: The Middle East conflict in moving stories

Nathan Thrall’s „A Day in the Life of Abed Salama“ tells the devastating story of a bus accident outside Jerusalem’s gates, in which five-year-old Milad, son of Abed Salama, loses his life. The tragedy occurs in a region where neither Israelis nor Palestinians feel responsible, within a political system that prevents swift assistance.

Thrall interviewed parents, relatives, rescue workers, and hospital staff. Through their personal narratives, he succeeds in portraying the complexity of the Israeli-Palestinian conflict and illuminating life as a Palestinian in the West Bank. His writing style is precise and sensitive, avoiding pathos.

As an American Jew living in Jerusalem, Thrall experiences the reality of the conflict daily. His portrayal refrains from assigning blame. The stories he tells show people who are broken not only by their grief but also by the complexity of the conflict between Israel and Palestine – a conflict for which there are no simple solutions. CopyRetry

2 Gedanken zu „Nathan Thrall: Der Nahostkonflikt in bewegenden Schicksalen“

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